Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

der Königin unter dem Kommando des braven Kapitäns Welsh, 
der uns geradezu väterlich behandelte, die Fahrten mitzumachen, bei 
denen die Onkel und Tanten von Cowes nach Portsmouth oder um— 
gekehrt gebracht wurden. Wir durften dabei sogar unter seiner und 
des wachthabenden Offiziers Aufsicht die Maschinentelegraphen be- 
dienen. Ich habe auf diesen Fahrten natürlich viele englische Kriegs- 
schiffe gesehen und, wie bereits der Auszug aus meinem „Lebenslauf“ 
erwähnte, auch Nelsons Flaggschiff, die „Bictorpy“, besucht. Als ich 
die kleine, an Deck eingeschraubte Messingplatte, welche den Platz be- 
zeichnete, an dem der große Admiral zusammengebrochen war, an- 
dächtig betrachtete, scherzte Welsh, der uns führte, in Anlehnung an 
Nelsons letztes Signal: „Now Sir, the British Admiralty expects, 
that every person visiting the, Wictory“ must shed a pail of rears 
herel““) — Auf dem Dreidecker „St. Vincent“, einem Schiffsfungen- 
schulschiff, fand gerade Geschützexerzieren statt, als ich es besuchte. 
Ich durfte an demselben teilnehmen, wurde als Kanonter Nr. 1 an 
ein Geschütz gestellt und mußte die Abzugsschnur ziehen. Ich war 
nicht wenig stolz, zu dem betäubenden Donner der Breitselte mit 
meinem Geschütz erheblich beigetragen zu haben. 
Auch der bekannte Superintendent of the Dockpard, Admiral Foley, 
war außerordentlich freundlich zu mir, es machte ihm augenscheinlich 
große Freude, mich auf der Werft herumzuführen und die Kriegs- 
schiffsbauten zu zeigen. Er war ein richtiger alter, sovialer Seebär 
mit feuerrotem Gesicht und weistem Backenbart, der, da er so gut 
wie taub war, sehr laut sprach. Dieses Gebrechen führte einmal zu 
einem amüsanten bleinen Zwischenfall, den ich hier erwähnen will, 
nicht nur weil er seinerzeit in der ganzen englischen Marine viel be- 
lacht worden ist, sondern auch den stark ausgeprägten Sinn meiner 
Großmutter für Situationskomik kennzeichnet. Es handelt sich um einen 
  
*) „Nun, Sir, erwartet die Britische Admiralstät, daß sedermann bei einem 
Besuch der „Vickorp“ an dieser Stelle einen Eimer voll Tränen vergleßt!“ 
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