württembergische Agrarverhältnisse. 227
zugenommen hat. Denn ganz abgesehen von den möglichen
Verschiedenheiten im Stand der Gewerbe und des Handels und
im Weinbau, die durch die Wahl der verglichenen zehn Aemter
möglichst vermieden worden sind, steht auch der Viehstand
keineswegs proportional mit der Produktion von Nahrungs- oder
verkäuflichen Stoffen, auf die es bei der Beurtheilung der
Wohlhabenheit einer landwirthschafllichen Bevölkerung ankommt.
Die sehr viel stärkeren und wohl auch mit mehr Intelligenz
angewendeten Arbeitskräfte, welche im Unterland gegenüber vom
Oberland auf den Landbau verwendet werden, sind ein selbst-
ständiger Faktor der Produktion, und dann ist ein landwirth-
schaftlicher Kulturzweig dort in weit grösserem Umfang vor-
handen, welcher mit der Viehzucht fast in gar keiner Ver-
bindung steht, nämlich der Obstbau. Nur das kann man
sagen, dass dort der Landbau, soweit er von der Viehzucht
und der Düngererzeugung bedingt ist, stärker gewachsen ist als
hier, und weiter, dass hier die animalische Nahrung, namentlich
an Milch und Feitstoffen, wahrscheinlich auch an Fleisch, über-
haupt viel unbedeutender ist und dass sie, traurig genug, seit
den letzten Dezennien sich vermindert hat. Denn dies muss man
nothwendig annehmen, da man von einer regelmässigen Einfuhr
solcher Stoffe von anderswoher nichts weiss.
Alle diese Schlüsse sind aber für die vorliegende Unter-
suchung über den Einfluss des grösseren und kleineren Besitzes
auf die landwirthschafllichen Volkszustände nur Nebensache. Der
Hauptpunkt ist der, ob die angegebene Thatsache über die ver-
schiedene Zunahme des Viehstands richtig mit den Agrarverhält-
nissen der einzelnen Distrikte in Verbindung gebracht werden
kann, ob der Schluss post hoc, ergo propter hoc Anwendung
findet. Und hier stehe ich nun nicht an, meine Ueberzeugung
von der Richtigkeit dieses Schlusses auszusprechen.
Was mich dazu veranlasst, ist zunächst der Umstand, dass
der Gegensatz in der Zunahme und der Grösse des Viehstands
je nach dem vorhandenen System der Bodenvertheilung bei allen
Aemtern ohne Ausnahme stattfindet. Unter allen Aemtern, welche
das System der Theilbarkeit schon lange in Anwendung bringen,
finde ich: kein einziges, welches so günstige Verhältnisse auf-
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