Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

Studien über württembergische Agrarverhältnisse. 445 
oder nach dem System des objektiv bestimmten Minimum be- 
stehen könne, ohne dass sie wenigstens so viel Land hätte, dass sie 
gerade noch ihren Unterhalt zy erwerben im Stande wäre? Eine 
Gemeinde, bei der auch nur die Hälfte der Bürger nicht mehr hätte 
als das Minimum, wäre doch im Ganzen arm zu nennen, und würde 
trotz desselben nicht im Stande seyn, einige Jahre des Miss- 
wachses oder äussern Unglücks ohne vollständigen Ruin aus- 
zuhalten. Mil einer solchen Maassregel würden wir weder die 
Landestheile, welche noch gute bäuerliche Zustände sich erhalten 
haben, vor dem Jammer eines übertriebenen Kleinbesitzes be- 
wahren, noch diejenigen Gemeinden, welche auf dem Wege voll- 
kommener Freiheit in’s Elend gekommen sind, aus demselben 
herausreissen. Der wirkliche Vortheil, der dabei dennoch blei- 
ben mag, wird nun aber erkauft durch eine fortgesetzie und den 
ganzen Verkehr mit Grund und Boden umfassende rein polizei- 
liche Controle. Zuerst gilt es, für jeden Distrikt und jeden Ort 
das den Verhältnissen entsprechende Minimum festzustellen. Dann 
wird man auch dem .nicht ausweichen können, dass man von 
Zeit zu Zeit die einmal getroffene Bestimmung revidirt und nach 
den mittlerweile eingetretenen Veränderungen das Minimum neu 
feststellt. Ueberdiess ist, wenn man einen bestimmten Grund- 
besitz als Bedingung der selbstständigen Niederlassung aufstellt, 
bei jedem einzelnen Fall ein polizeiliches Erkenntniss darüber 
nothwendig, ob nun gerade der vorgeschriebene Besitz und zwar 
unbelastet vorhanden ist. Hat man dagegen das Minimum als 
objektive Norm für die Grösse der landwirthschafllichen Besitzun- 
gen überhaupt aufgestellt, so ist kein Kauf, kein Tausch erlaubt 
ohne polizeiliche Controle darüber, ob nicht dadurch ein Besitz 
unler die erlaubte Grenze heruntersinkt. 
Ueberhaupt trägt der ganze Gedanke eines Minimum den 
Charakter eines kleinen und zwar rein polizeilichen Aushülfs- 
mittels an sich. Eine grosse bäuerliche Rechts- und Lebens- 
ordnung kann damit nicht begründet werden. Auch in unsrer 
Geschichte finden wir es nirgends versucht, wo das alte bäuer- 
liche Recht im Leben blieb, sondern es zeigt sich erst zu einer 
Zeit und in den Gebielen, wo theils durch die allmähliche Ein- 
wirkung des römischen Rechts, Iheils durch den liberalen Abso-
	        
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