Full text: der Weltkrieg 1914. Band 2. (1)

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großen Mehrheit der Deutschen ist er unfähig, zu verstehen, warum in den 
Vereinigten Staaten nicht mehr Sympathie für Deutschland herrscht. 
„Es hat keinen Wert und ist zwecklos, wenn wir unsere Augen der 
Tatsache verschließen, daß 
der größte Teil der Welt gegen uns 
ist“, sagte er. „Aber es überrascht mich geradezu, daß Amerika, an das 
uns Bande der Freundschaft und des Blutes binden, wie an kein anderes 
neutrales Land, wohin Millionen unseres Volkes gingen und die deutsche 
Sprache verpflanzten, wohin sie ihre Freiheitsideen brachten, daß Amerika 
so gänzlich unfähig sein sollte, sich in unsere Lage zu versetzen.“ 
„Ich würde mich nicht so frei ausdrücken“, sagte er, „müßte ich nicht 
zugeben, daß es mir eine Ueberraschung war, daß die Amerikaner bis 
jetzt die Lage Deutschlands noch nicht klar gesehen haben, das gänzlich 
von eifersüchtigen Feinden umgeben ist und um seine Existenz kämnpft, 
daß sie kein besseres Verständnis gehabt haben für die beispiellosen Opfer 
und den Heroismus unserer Nation, die in diesen gigantischen Kampf aus 
keinem anderen Beweggrunde ging, als das Vaterland zu retten.“ 
Die Stellungnahme Amerikas 
schreibt der Kronprinz beinahe gänzlich der englischen Preßkontrolle und 
den weltweiten Verbindungen zu. Ganz offen gab er zu, daß Deutschland 
biseher die wichtige Rolle, die die Presse in der Weltpolitik und in inter- 
nationalen Angelegenheiten spiele, nicht gebührend zu würdigen ver- 
standen habe. „ » 
„Ich habe Vertrauen in das Gerechtigkeitsgefühl des amerikanischen 
Volkes“, sagte Seine Kaiserliche Hoheit, „sobald wir ihm die Tatsachen 
und die Wahrheit auch wirklich vorlegen können. Ich weiß, daß es bis 
jetzt für die Amerikaner unmöglich war, unsere Lage zu verstehen, aber 
ich glaube sicher, daß, wenn ihnen die Wahrheit bekannt ist, ihr Gefühl 
für Fairneß und die Liebe zum „fair play“, die jede Handlungsweise 
Ihrer Landsleute charakterisiert, eine Umwälzung ihrer Gefühle zu un- 
seren Gunsten herbeiführen wird.“ 
„Viele Freunde hatte ich in Amerika, und ich glaube, ich habe dort 
noch einige. Auch in England habe ich viele Freunde — oder hatte sie“, 
sagte der Kronprinz mit einem traurigen Lächeln und Kopfsschütteln. 
sagt Dann sich plötzlich umdrehend und mir gerade in die Augen sehend, 
agte er: 
„Ich möchte, daß Sie mir ganz aufrichtig sagen, 
» was man von mir in Amerika spricht.“ 
Ich zögerte einen Augenblick und dachte nach, wie viel Offenheit 
sich mit Diskretion vertrüge, und da er meine Gedanken zu lesen schien, 
lachte er gutmütig und sagte: 
„Ich habe Offenheit gern und kann die Wahrheit vertragen. Also 
los! Ich möchte es wirklich wissen.“ 
„Nun“, gab ich zur Antwort, „Kaiserliche Hoheit wurden allgemein 
als einer der „Kriegshetzer hingestellt, als Kriegsanstifter, Anführer 
der Kriegspartei und als ganz besonderer Exponent des Militarismus.“ 
„Ja, ich weiß wohl“, sagte der Kronprinz, dabei Erstaunen zeigend, 
„und die englische Presse sagt noch viel mehr. Die englischen Zeitungen 
behaupten, ich wäre ein Dieb, und daß ich persönlich die französischen
	        
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