450 Artikel 24. Kirchliche Leitung des Religionsunterrichts.
daß die Kirche befugt ist, den Religionsunterricht in Selbstbetrieb zu
nehmen. Die Erteilung dieses Unterrichts durch Geistliche ist die Regel,
die Kirche wird darin durch die Schullehrer lediglich „unterstützt“ (vl.
bad. Schulgesetz § 40 Abs. 2), diese Unterstützung der Kirche aber nicht auf-
gedrängt, wie sie andererseits auch vom Staate entzogen werden kann
(a. a. O. Abs. 7). In Osterreich tritt die bezeichnete Unterstützung über-
haupt nur ein, wenn ein Geistlicher, welcher den Unterricht regelmäßig
erteilen kann, am Orte nicht vorhanden ist.
Solche Bestimmungen würden in Preußen schon mit Art. 21
Abs. 2 oktr B unvereinbar gewesen sein, viel weniger mit Abs. 2 des
geltenden Textes, welcher dem „besorgen und überwachen“ substituiert
hat: „leiten“.
Rein grammatisch betrachtet, liegt in dem „leiten“ noch weniger der
Gedanke des Selbsterteilens als in dem „besorgen“ (richtig Dirksen a. a. O.
409). Das gleiche ergeben die Materialien. Der Züussch hat sich aller-
dings über die Gründe, welche ihn bewogen, den Ausdruck „leiten“ ein-
zuführen, nicht geäußert loben 434). Doch ist das Warum wohl klar:
der ZAussch mußte sich sagen, daß von den Worten „besorgen und
überwachen“ jedenfalls das erstere für das, was die oktr Voausweislich der
„Erläuterungen“) der Kirche einräumen und worüber er nicht hinaus-
gehen wollte, ein schlecht gewählter Ausdruck war. Die lediglich
organisierende und kontrollierende (Erläuterungen S. 31 — oben 433 —:
„Besorgung oder Organisation und Beaufsichtigung“) Tätigkeit, welche
der Kirche zugedacht war, wurde schärfer und richtiger mit „leiten“ be-
zeichnet. Die Staatsregierung akzeptierte das „leiten“, indem der
Unterrichtsminister zugestand, daß dieser Ausdruck besser sei als das
„vieldeutige“ besorgen und überwachen (II. K. 1233), — also in dem
Amendement nur eine Ausdrucksverbesserung erblickte. Daß das „leiten“
der Kirche jedenfalls nicht mehr Macht über den Religionsunterricht
einräumt als das „besorgen und überwachen“, geht auch aus dem Ber
der RevKomm II. K. und ganz besonders klar aus den Bemerkungen
des Referenten derselben, Abg. Keller, oben 436, hervor.
Wie bei dieser Rechtslage Rintelen, die Volksschule Preußens
usw. 241, zu der Ansicht kommen kann, daß Abs. 2 den Religions-
gesellschaften „nicht nur die Oberleitung, sondern auch, wo sie es für
erforderlich erachten, die eigene Erteilung des Unterrichts in der
Religion zugesteht“, ist unerfindlich. Das Gegenteil ist richtig. Ein
Volksschulgesetz, welches den Religionsgesellschaften und ihren Organen
die „eigene Erteilung“ des Religionsunterrichts schlechthin oder soweit
sie (1) es für erforderlich halten, überträgt, würde dem Abs. 2 stracks