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das Schicksal zweier amerikanischer Ansiedler, die sich vor einer ganzen
Reihe von Jahren auf den Neuen Hebriden festgesetzt hatten. Auf
der Insel Oba gab es unter den Kannibalen zwei angesehene Häupt—
linge, Lui und Holi, die sich beständig bekriegten. Die meisten Fehden
entstanden durch Menschenraub, und Gefangene wurden lediglich gemacht,
um sie zu fressen. Die Eingeborenen der Hebriden und insbesondere
von Oba sind im übrigen tapfer und tüchtige Handelsleute.
Zwei Nordamerikaner namens Johnston und Caffin siedelten sich
vor einer Reihe von Jahren auf Oba an, und es gelang ihnen, trotz
aller Gefahren des Klimas und der Eingeborenen, sich eine ganze Zeit-
lang zu halten. Mit dem Häuptling Holi standen sie in bestem Ein-
vernehmen, besonders war Johnston mit ihm befreundet. Eines Nachts
erwachte Caffin von einem Geräusch an der Wand der Hütte, und als
er aufblickte, bemerkte er im Mondschein, daß sich durch das Fenster ein
Gewehrlauf schob. Mit einem gellenden Schrei weckte Caffin seinen
Genossen, aber im nächsten Augenblick krachte ein Schuß, und Johnston
war im Schlafe erschossen. Niemand anders, als Holi, der Häuptling,
hatte seinen Freund Johnston in einem Anfall von Argerlichkeit oder
Laune niedergeknallt. Caffin erhob sich und feuerte auf Holi und seine
beiden Begleiter. Sie entkamen aber unverletzt, und Caffin blieb nichts
weiter übrig, als seinen Genossen zu begraben. Sein eigenes Leben war
jetzt nicht einen Pfennig mehr wert. Er hatte zu erwarten, daß er in
kurzem von Holi ebenfalls aus der Welt geschafft werden würde. Caffin
war ein Mann ohne Anhang, ohne Verwandte und ohne besondere Lust
am Leben. Er hatte sich durch den Aufenthalt auf den Hebriden die
Schwindsucht geholt und wußte, daß sein Leben nur noch nach Monaten
zählte. Er weihte sein Leben der Rache, selbst wollte er aber den Tod
seines Kameraden an dem Mörder Holi nicht rächen. Er wartete darauf,
daß einmal ein amerikanisches Kriegsschiff zufälligerweise in die Gegend
käme, um dann durch dieses den Tod Johnstons rächen zu lassen. Zwei
Jahre wartete Caffin vergebens. Sein Leben hing an einem Haar.
Jeden Abend mußte er vollkommen mit seiner Existenz abschließen; denn
er wußte nicht, ob er den andern Morgen erleben würde. Es gelang
ihm allerdings, sich die Freundschaft des Häuptlings Lui zu erwerben,
indem er diesem eine große Anzahl von Gewehren und Munition schenkte.
Aber auch Lui konnte ihn nicht immerfort bewachen und hatte selbst zu
tun, um sich gegen die Krieger Holis zu wehren.