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umgeben. Es besteht aus zwei Oblongen, von denen das nördliche die
Tataren-, das südliche die Chinesenstadt beherbergt. Die Mauern bilden
den einzigen gangbaren Promenadenweg, den die Europäer benutzen
können. Alles andere ist Staub und Kot. Von dort aus allein hat
man auch einen Blick über die Stadt und ihre Gärten, die sich in der
Ferne zu einem dichten Wald zu vereinigen scheinen. ·
Da alle Häuser so ziemlich gleich hoch oder niedrig sind, so treten
die Minaretts der Moscheen am meisten hervor, dazu die Tempel der
Sonne und der Erde und der schnörkeligen Dörfer des Kaiserpalastes
in der sogenannten verbotenen Stadt. Drunten aber liegen viele herren—
lose Häuser. Es ist eine Stadt, die ihre Blütezeit längst hinter sich hat.
Sie zerfiel mit der Macht, die sie schuf.
Fürchterliche Hitze wechselt mit schrecklichen Staubwinden ab und
gibt dem hier herrschenden Klima einen wenig angenehmen Charakter.
Ernst von Hesse-Wartegg gibt uns eine Beschreibung der Gesandten-
straße. Sie steht auf einer Höhe mit der Behandlung, welche die Ge-
sandten selbst bei Hof erfuhren, wo sie nur in einer besonderen Halle
empfangen wurden. Auch erhielten sie kaum jemals den offiziellen Be-
such eines offiziellen Würdenträgers. Sie waren ja nur „die Sendlinge
der Vasallenstaaten“. „Die Gesandtenstraße ist urchinesisch. Sie unter-
scheidet sich durch nichts von irgend einer anderen Straße der Tataren-
stadt. Staub, Schmutz, Unrat; fensterlose, graue Mauern und geschlossene
Tore. Halb erstickt von dem schwarzen unflätigen Staub, eingeschachtelt
zwischen den schmutzigen Nachkommen der tatarischen Horden, welche
das chinesische Reich erobert haben, verborgen in einem Labyrinth
meilenlanger Straßen der ungeheuren Stadt, wohnen die Exzellenzen
und Geheimräte, die Vertreter der Großmächte der Erde. Hier ist der
Sitz des diplomatischen Korps, das sonst überall in der Welt an der
Spitze der Gesellschaft steht und in Palästen der vornehmsten Stadtteile
residiert.“
Und nun war man drauf und dran, diese Vertreter unfrer Staaten,
die überall sonst in der zivilisierten Welt für unantastbar gelten, von
einem eigens herbeigeholten Mob umbringen zu lassen.
In den Gesandtschaften, welche in hochummauerten Gehöften in
einem ziemlich geschlossenen Komplex gelegen sind, bereitete man sich auf
das Schlimmste vor. Hunderte von chinesischen Christen suchten hinter
ihren Mauern Zuflucht und wurden von unsern Seesoldaten aus den