Full text: Das Buch von unsern Kolonien.

— 240 — 
umgeben. Es besteht aus zwei Oblongen, von denen das nördliche die 
Tataren-, das südliche die Chinesenstadt beherbergt. Die Mauern bilden 
den einzigen gangbaren Promenadenweg, den die Europäer benutzen 
können. Alles andere ist Staub und Kot. Von dort aus allein hat 
man auch einen Blick über die Stadt und ihre Gärten, die sich in der 
Ferne zu einem dichten Wald zu vereinigen scheinen. · 
Da alle Häuser so ziemlich gleich hoch oder niedrig sind, so treten 
die Minaretts der Moscheen am meisten hervor, dazu die Tempel der 
Sonne und der Erde und der schnörkeligen Dörfer des Kaiserpalastes 
in der sogenannten verbotenen Stadt. Drunten aber liegen viele herren— 
lose Häuser. Es ist eine Stadt, die ihre Blütezeit längst hinter sich hat. 
Sie zerfiel mit der Macht, die sie schuf. 
Fürchterliche Hitze wechselt mit schrecklichen Staubwinden ab und 
gibt dem hier herrschenden Klima einen wenig angenehmen Charakter. 
Ernst von Hesse-Wartegg gibt uns eine Beschreibung der Gesandten- 
straße. Sie steht auf einer Höhe mit der Behandlung, welche die Ge- 
sandten selbst bei Hof erfuhren, wo sie nur in einer besonderen Halle 
empfangen wurden. Auch erhielten sie kaum jemals den offiziellen Be- 
such eines offiziellen Würdenträgers. Sie waren ja nur „die Sendlinge 
der Vasallenstaaten“. „Die Gesandtenstraße ist urchinesisch. Sie unter- 
scheidet sich durch nichts von irgend einer anderen Straße der Tataren- 
stadt. Staub, Schmutz, Unrat; fensterlose, graue Mauern und geschlossene 
Tore. Halb erstickt von dem schwarzen unflätigen Staub, eingeschachtelt 
zwischen den schmutzigen Nachkommen der tatarischen Horden, welche 
das chinesische Reich erobert haben, verborgen in einem Labyrinth 
meilenlanger Straßen der ungeheuren Stadt, wohnen die Exzellenzen 
und Geheimräte, die Vertreter der Großmächte der Erde. Hier ist der 
Sitz des diplomatischen Korps, das sonst überall in der Welt an der 
Spitze der Gesellschaft steht und in Palästen der vornehmsten Stadtteile 
residiert.“ 
Und nun war man drauf und dran, diese Vertreter unfrer Staaten, 
die überall sonst in der zivilisierten Welt für unantastbar gelten, von 
einem eigens herbeigeholten Mob umbringen zu lassen. 
In den Gesandtschaften, welche in hochummauerten Gehöften in 
einem ziemlich geschlossenen Komplex gelegen sind, bereitete man sich auf 
das Schlimmste vor. Hunderte von chinesischen Christen suchten hinter 
ihren Mauern Zuflucht und wurden von unsern Seesoldaten aus den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.