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Vierter Titel.
Prozeßbevollmächtigte und Beistände.
§. 74.
Vor den Landgerichten und vor allen Gerichten höherer Instanz müssen
die Parteien sich durch einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Rechtsanwalt
als Bevollmächtigten vertreten lassen (Anwaltsprozeß).
Diese Vorschrift findet auf das Verfahren vor einem beauftragten oder
ersuchten Richter sowie auf Prozeßhandlungen, welche vor dem Gerichtsschreiber
vorgenommen werden können, keine Anwendung.
Ein bei dem Prozeßgerichte zugelassener Rechtsanwalt kann sich selbst
vertreten.
§· 75.
Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die
Parteien den Rechtsstreit selbst, oder durch jede prozeßföhige Person als Bevoll=
mächtigten führen.
§. 76.
Der Bevollmächtigte hat die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Voll=
macht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben.
Eine Privaturkunde muß auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder
notariell beglaubigt werden. Bei der Beglaubigung bedarf es weder der Zu=
ziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines Protokolls.
§. 77.
Die Prozeßvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeß-
handlungen, einschließlich derjenigen, welche durch eine Widerklage, eine Wieder=
aufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranlaßt werden; zur
Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen;
zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtsleistung auf den Streit=
gegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs;
zur Empfangnahme der von dem Gegner zu erstattenden Kosten.
§. 78.
Die Vollmacht für den Hauptprozeß umfaßt die Vollmacht für das eine
Hauptintervention, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffende
Verfahren.
§. 79.
Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht hat dem Gegner
gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Beschränkung die Beseitigung
des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder
Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft.
Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Voll-
macht für einzelne Prozeßhandlungen ertheilt werden.