Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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Elfter Abschnitt. 
Vertheidigung. 
§. 137. 
Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes 
eines Vertheidigers bedienen. 
Hat der Beschuldigte einen gesetzlichen Vertreter, so kann auch dieser selb= 
ständig einen Vertheidiger wählen. 
§. 138. 
Zu Vertheidigern können die bei einem deutschen Gerichte zugelassenen 
Rechtsanwälte sowie die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen gewählt werden. 
Andere Personen können nur mit Genehmigung des Gerichts und, wenn 
der Fall einer nothwendigen Vertheidigung vorliegt und der Gewählte nicht zu 
den Personen gehört, welche zu Vertheidigern bestellt werden dürfen, nur in 
Gemeinschaft mit einer solchen als Wahlvertheidiger zugelassen werden. 
§. 139. 
Der als Vertheidiger gewählte Rechtsanwalt kann mit Zustimmung des 
Angeklagten die Vertheidigung einem Rechtskundigen, welcher die erste Prufung 
für den Justizdienst bestanden hat und in demselben seit mindestens zwei Jahren 
beschäftigt ist, übertragen. §. 140 
 
Die Vertheidigung ist nothwendig in den Sachen, welche vor dem Reichs= 
gericht in erster Instanz oder vor dem Schwurgerichte zu verhandeln sind. 
In Sachen, welche vor dem Landgericht in erster Instanz zu verhandeln 
sind, ist die Vertheidigung nothwendig: 
1. wenn der Angeschuldigte taub oder stumm ist oder das sechzehnte 
Lebensjahr noch nicht vollendet hat; 
2. wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet und 
der Beschuldigte oder sein gesetzlicher Vertreter die Bestellung eines 
Vertheidigers beantragt. 
Diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn die strafbare 
Handlung nur deshalb als ein Verbrechen sich darstellt, weil sie im 
Rückfall begangen ist. 
In den Tällen des Abs. 1 und des Abs. 2 Nr. 1 ist dem Angeschuldigten, 
welcher einen Vertheidiger noch nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen 
zu bestellen, sobald die im §. 199 vorgeschriebene Aufforderung stattgefunden 
hat. In dem Falle des Abs. 2 Nr. 2 ist der Antrag binnen einer Frist von 
drei Tagen nach der Aufforderung zu stellen. 
§. 141. 
In anderen als den im §. 140 bezeichneten Fällen kann das Gericht und 
bei vorhandener Dringlichkeit der Vorsitzende desselben auf Antrag oder von 
Amtswegen einen Vertheidiger bestellen.  
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