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negatives Ergebniß bleibt nur übrig, daß die Ausweisungsgründe auf
dem Gebiete der Politik liegen und nicht völkerrechtlich faßbar sind.
Das moderne Völkerrecht hat damit in allgemein anerkannter Weise
die äußersten Grenzen des Duldungs= und Ausweisungsrechtes festgestellt.
Am klarsten ausgesprochen wird dies von Buntschli in seinem Kodi-
fikationsversuche, dem modernen Völkerrechte der civilisirten Staaten
(1868). Nach Art. 381 darf sich kein Staat gegen Fremde überhaupt
absperren, nach Art. 382 aber jeder Staat einzelne Fremde aus Gründen
des Rechts und der Politik ausweisen. Nur die Erwähnung der Gründe
hätte ohne Schaden für die Formulirung der beiden Rechtssätze unter-
bleiben können.
Mit der Feststellung dieser äußersten Grenzen ist aber die Frage
der Duldungspflicht und des Ausweisungsrechtes des Staates noch keines-
wegs gelöst. Darf der Staat weder Fremde überhaupt noch in Friedens-
zeiten Angehörige eines bestimmten anderen Staates allgemein ausweisen,
so darf er auch nicht einem Theile dieser Gesammtheit den Zutritt ver-
sagen. Und andererseits, ist der Staat zur Ausweisung einzelner
Fremden berechtigt, so darf er auch mehrere Einzelne ausweisen. Nun
entsteht die Frage, wann die mehreren Einzelnen zu einem Theile der
Gesammtheit oder zu dieser selbst werden. Diese Frage läßt sich natürlich
vom Standpunkte juristischer Logik aus niemals beantworten. Sie er-
innert an den bekannten Schulstreit, wie viele Menschen dazu gehören
um einen Haufen zu bilden. Wann werden mehrere Einzelne zu einer
Gesammtheit, die sich doch auch wieder aus Einzelnen zusammensetzt?
Jedenfalls muß der Ausweisungsbefehl immer individuell, an die einzelne
Person gerichtet sein, allgemeine Ausweisungsbefehle sind in Friedens-
zeiten überhaupt unzulässig. Die einzelnen Ausweisungen dürfen aber
nie einen Umfang annehmen, daß dadurch den Angehörigen eines anderen
Staates allgemein der Aufenthalt versagt erscheint, wenn auch noch zur
scheinbaren Wahrung des Grundsatzes freien Aufenthaltes ein paar Aus-
nahmen zugelassen werden. Näher lassen sich die Grenzen nach recht-
lichen Gesichtspunkten nicht bestimmen, man gelangt eben wieder in das
flüssige Gebiet der Politik.
Mag nun Duldungspflicht oder Ausweisungsrecht der Staatsgewalt
bestehen oder nicht, jedenfalls erwachsen daraus für den einzelnen Fremden
gegenüber dem Aufenthaltsstaate keinerlei Rechte. Das Völkerrecht ist
ein Recht unter Staaten. Der Fremde ist für den Aufenthaltsstaat nur
Objekt der Staatsherrschaft und auch dies nur, so lange er sich in dem
Gebiete aufhält. Völkerrechtlich zur Duldung verpflichtet ist daher der
Staat unter den oben erörterten Voraussetzungen nicht gegenüber dem