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rechtliche Fortdauer dieses Zustandes von der Vernunft gefordert
wird — ein Bewbls, dessen Erbringung noch nicht einmal versucht
worden ist 7). Statt dessen berufen sie sich auf die göttliche Fü-
gung, wodurch dieses Recht entstanden sei. Hier tritt ihnen aber
ein unvermeidliches Dilemma entgegen. Sind die gewöhnlichen
Quellen menschlichen Rechtes bei der Begründung dieses Rechts
thätig gewesen 38), so läßt sich nicht einsehen, warum dieselben, was
sie, wenn auch unter Gottes Sanktion, geschaffen haben, nicht eben-
falls unter Gottes Sanktion wieder aufheben können; beruht aber
gar die Existenz des Staates oder die Herrschaft des Fürstenhauses,
nach allgemeinen Begriffen menschlichen Rechts, auf einem fort-
dauernden Unrecht, so begreift man nicht, wie Gott dieselbe unter
seinen besondern Schutz nehmen soll. Allerdings hat namentlich
Stahl, der geistreichste Vorkämpfer dieser Richtung, eine dritte
Möglichkeit angedeutet, indem er das Princip der Legitimität in der
Erbmonarchie als „das Recht göttlicher Fügung im Gegensatze
menschlicher That“ bezeichnet und demgemäß dem Erbmonarchen
„eine selbstständige Macht und Autorität neben dem Gesetze“ zu-
schreibt 33); aber auch diese Ansicht fällt in sich selbst zusammen;
denn sowohl zur faktischen Begründung der Monarchie als zur Fort-
37) Auch de Riancey, S. 181-—182, macht nur politische Gründe geltend,
welche diesen Grundsatz als für die Sicherheit und Ruhe einer Gesellschaft wie
der französischen unentbehrlich erweisen sollen.
38) Nach Walter J. c. ist das „Organ der Gewalt“ legitim, wenn es „das
durch göttliche Fügung als durch eine lautere, durch keine menschliche Unthat
oder Willkür befleckte Ueberlieferung berufene Werkzeug zur Stellvertretung der
göttlichen Gerechtigkeit auf Erden ist.“ Dieser Schriftsteller läßt aber auch eine
Veränderung der Staatsform, zu welcher der Inhaber der überlieferten Gewalt
mitgewirkt oder welche derselbe genehmigt hat, als rechtmäßig zu; er scheint also
in der Erbmonarchie keinen Verzicht aller Thronfolgeberechtigten zu verlangen.
39) Stahl, III, S. 254 u. 266. S. 238 bezeichnet er sogar den Erbkönig
als „die Macht im Staate, welche keine Ursache hat und keinen Anfang und
kein Ende.“ In demselben Sinne erwiederte 1814 der französische Minister des
Innern, Abbé de Montesquion, auf den Vorschlag, an die Spitze der Charte
die Erklärung zu stellen, daß die französische Regierung monarchisch und die
Krone erblich nach der Ordnung der Erstgeburt im Hause Bourbon sei: „que
%%étaient Ià des principes fondamentaux antérieurs à toutes les loix et
qdu'on ne pouvait quaffatblir en les soumettant à une délibération et à
un vote“; der Senator Herr de Fontanes fügte hinzu: „II ne faut pas lever
les voiles qui couvrent les principes du pouvoir. Un pouvoir supérieur
à celui des peuples et des monarques fit la société et jeta sur la face du
monde les gouvernements divers.“ (De Viel-Castel, I, S. 422—423.)