Einleitung.
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8§ 1. Gegenstand der Untersuchung.
Die Aufgabe, welche wir uns gestellt haben, ist die Beant-
wortung der Frage: wie eine usurpirte Staatsgewalt legitim wird.
Der Beantwortung muß zunächst eine Verständigung über den In-
halt der Frage selbst vorausgehen. Zu diesem Zwecke ist vor Allem
eine präcise Auffassung der einzelnen Ausdrücke nothwendig. Wir
beginnen daher mit einer Feststellung der Terminologie.
Das Wort „Staatsgewalt“ hat eine zwiefache Bedeutung,
eine objektive und eine subjektive. Im erstern Sinn bezeichnet es
den Inbegriff der Rechte und Pflichten, welche dem Staate seinen
Mitgliedern gegenüber zustehen; im letztern das unmittelbare Subjekt
dieser Rechte und Pflichten, d. h. das Organ, welches im Namen
des willens= und handlungsunfähigen, weil nur in der Idee be-
stehenden Staates dieselben selbstständig ausübt 1). Indem wir von
einer „usurpirten Staatsgewalt“" sprechen, haben wir den objektiven
Wortbegriff vor Augen. Als gleichbedeutend mit „Staatsgewalt“
in diesem Sinne werden wir im Verlauf der Abhandlung die Aus-
drücke „Staatsherrschaft“ („Herrschaft“) und „Souverainität“ ge-
brauchen, und demgemäß im subjektiven Sinne „Staatsherrscher"
(„Herrscher“) und „Souverain“. Die Identificirung der Staats-
gewalt und der Souverainität rechtfertigt sich durch die Erwägung,
daß die Staatsgewalt ihrem Begriffe nach die oberste Gewalt, also
souverain ist; die wirklichen und vermeintlichen Abweichungen von
diesem Grundsatz, welche in der Praxis vorkommen, werden, so weit
es der Zweck unserer Untersuchung erfordert, an ihrer Stelle ge-
würdigt werden.
1) Vgl. H. A. Zachariä, Deutsches Staats= und Bundesrecht, I, & 14.
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Brie, die Legitimation 2c.