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des Volkes, daß etwas Recht sein soll, sondern auch durch die Ueber-
zeugung der Glieder der Gemeinschaft, daß etwas Recht sei, hervor-
gebracht. Drittens und vor Allem aber folgt aus der Thatfache
der Uebertragung durchaus nicht irgend welche Fortdauer des Rech-
tes für die Person des Uebertragenden, vielmehr ist mit der Ueber-
tragung, wenn dieselbe nicht auf die Ausübung sich beschränken soll,
eine solche Fortdauer unvereinbar. Geschichtlich kommen wohl Fälle
vor, in denen es zweifelhaft erscheinen mag, ob eine Demokratie sich
in eine Aristokratie oder Monarchie verwandelt, oder ob nur die
Ausübung der Volkssouverainität einen monarchischen, resp. aristo-
kratischen Charakter angenommen hat 143); aber darin liegt kein
Grund für die Theorie, diese Unklarheit zu adoptiren, sondern sie
muß dieselbe durch scharfe Unterscheidung zu heben versuchen.
II. Soll die Volkssouverainität, die wir bisher nur in ihrem
ruhenden Zustande betrachtet haben, nach dem Belieben des Volkes-
aktiv werden, dann kommt sie entweder in einen Kampf mit dem
übertragenen Herrschaftsrecht, welcher dem einheitlichen Wesen des
Staates widerspricht, oder, wenn der Monarch (resp. die aristo-
kratische Corporation) ihr nach rechtlicher Vorschrift weichen muß,
so hat derselbe (dieselbe) in Wahrheit keine Staatsgewalt, keine
Souverainität. Das Letztere gilt auch von der Annahme, daß die
Existenz des Herrschaftsrechts selbst von dem Ermessen des Volkes
abhange, während im Uebrigen das Volk, so lange die monarchische
oder aristokratische Verfassung bestehe, keine Souverainitätsrechte
übe 114); denn ein Herrscher, dessen Gewalt in Betreff ihrer Fort-
143) In Bezug auf den zweifelhaften Charakter des Uebergangs der Demo-
kratie in die Monarchie geben die Anfänge des Römischen Imperatorenthums und
die beiden Napoleonischen Kaiserreiche bekannte Beispiele. Insbesondere setzte die
französische Verfassung von 1804 (Sénatus-Consulte organique du 28 floréal
an XII) in ihrem ersten Artikel („Le gouvernement de la République est
confié à un empereur, qui prend le titre d’Empereur des Frangais) offen-
bar die rechtliche Fortdauer der Republik voraus, während alle Einrichtungen, die
sie traf, durchaus monarchischer Natur waren. — In Betreff der Aristokratie hat
Waitz (Grundzüge der Politik, S. 37—38, S. 125—126) mit Recht darauf
aufmerksam gemacht, daß dem Herrschaftsrecht der bestimmten Familien in der
Regel ein ursprünglicher Auftrag der gesammten Bürgerschaft historisch zu Grunde
liege; nur irrt er, wenn er die Aristokratie aus diesen und anderen Gesichtspunkten
überhaupt nicht als eine besondere Staatsform gelten lassen will.
144) Jules Simon (I. c. S. 168): „La souveraineté moderne, essen-
tiellement déléguée, n'est Iégitime qui dans la mesure et pendant la durée
de cette délégatien .. Liessence de Pautorité déléguée est donc Tietre
Brie, die Legitimation 2c. 4