Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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Legitimität sei bedingt durch die Beobachtung der positiven Verfassung 
und der allgemeinen Regentenpflichten; ein Herrscher, der die Gren- 
zen seiner Gewalt in einer dieser beiden Richtungen überschreite, 
höre daher von selbst auf, legitim zu sein, werde ein Usurpator; 
damit soll, nach der allgemeinen Grundansicht, ipso jure die Volks- 
sounverainität zur ungehinderten Geltung gelangen; eine Aeußerung 
des Volkswillens wird also, falls nur die Thatsache des Mißbrauchs 
constatirt ist, nicht zur rechtlichen Entfernung des bisherigen Herr- 
schers, auch nicht zur Schaffung der Demokratie, sondern nur zur 
nähern Einrichtung derselben, eventuell zum Uebergang in eine 
andere Staatsform erfordert ½). Die zweite Auffassung geht dahin, 
daß der Herrscher für pflichtwidriges Verhalten dem Volke verant- 
wortlich, das Volk demnach berechtigt sei, die mißbrauchte Herrschaft 
zu entziehen; die Souverainität des Volkes äußert sich hier zunächst 
in einem strafrechtlichen Urtheil, und erst wenn auf diesem Wege 
die Absetzung des Herrschers ausgesprochen ist, kann das Volk andere 
Souverainitätsakte vornehmen, insbesondere ein neues Organ des 
Staates berufen ½3). Die erste Ansicht widerlegt sich leicht. Da- 
durch, daß Jemand Handlungen vornimmt, zu denen er nicht be- 
rechtigt ist, resp. die mit seinem Recht verbundenen Pflichten außer 
  
152) So namentlich Rotteck, 1. c. Diese Argumentation tritt auch in Mil- 
ton's Darstellung überwiegend hervor und findet sich gelegentlich auch bei Locke 
(z. B. 3 222: „By this breach of Trust they forfeit the Power, the People 
had put into their Hands, for quite contrary ends, and it devolves to 
the People, who have a right to resume their original Liberty, and, by 
the establishment of a new Legislative (such as they shall think fit), pro- 
vide for their own Safety and Security, which is the end for which they 
are in Society“). 
153) Locke #240: Here, 'tis like, the common Question will be made, 
Who shall be judge, whether the Prince or Legislative act contrary to 
their Trustf... To this I reply; The People shall be Judge; 
for who shall be Judge whether his Trustee and Deputy acts well, and 
Weccording to the Trust reposed in him, but he who deputes him, and must, 
by having deputed him, have still apower to discard him, when he 
füils in his Trust“ — Ahrens I. c. betrachtet den Verfassungsbruch als einen 
indirekten Appell an den unmittelbaren Lebens= und Selbsterhaltungstrieb der 
Nation, welche dann entweder den geschehenen Gewaltakt sanktionire oder auch 
die bestehende Form der Staatsgewalt vernichte. Er nimmt also nicht ein eigent- 
liches Urtheil, aber doch einen besonderen Akt des Volks als erforderlich zur 
Aenderung der bisherigen Repräsentation des Staats: eine .ähnliche Anschauung 
ist in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika 
ausgesprochen.
	        
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