Anhang. Anlage Nr. 8. 225
ist. Uber die Gründe einer solchen Maßregel ist die Landes-
polizeibehörde nur dem vorgesetzten Ministerium, nicht aber
der Partei Rechenschaft zu geben schuldig.
Daß diese letztere Bestimmung nicht durch ein späteres Gesetz aus-
drücklich als aufgehoben bezeichnet worden ist, steht fest.
Dagegen fragt es sich, ob dieselbe nicht dadurch außer Wirksamkeit
gesetzt worden ist, daß eine ihr entgegenstehende Rechtsregel durch ein
späteres Gesetz gegeben und so der Wille des Gesetzgebers, das frühere
Gesetz aufzuheben, erkennbar gemacht ist.
In dieser Hinsicht unterliegt es zunächst keinem Bedenken, daß
der §2 Nr. 2 a. a. O. nicht durch das Reichsgesetz über die Freizügigkeit
vom 1. November 1867 (Bl. S. 55) beseitigt worden ist, da es der
§ 3 desselben ausdrücklich bei den Landesgesetzen bewenden läßt, soweit
nach denselben bestrafte Personen Aufenthaltsbeschränkungen durch die
Polizeibehörde unterworfen werden können.
Weiter kann aber auch keineswegs anerkannt werden, daß jene
Bestimmung durch Art. V der Verfassungsurkunde vom 31. Januar
1850 außer Wirksamkeit gesetzt worden ist, welcher vorschreibt: „Die
persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen,
unter welchen eine Beschränkung derselben, insbesondere eine Ver-
haftung, zulässig ist, werden durch das Gesetz bestimmt.“ — Selbst wenn
ohne weiteres davon auszugehen wäre, daß das Recht des Aufenthalts
zum Zweck der Niederlassung in dem Recht auf persönliche Freiheit
im Sinne des Art. V einbegriffen sei, wogegen sich indes namentlich
aus der Entstehungsgeschichte des Art. V Bedenken begründen lassen,
so bietet doch so wenig der Inhalt dieser Vorschrift wie ihr Charakter
als Verfassungsnorm einen Anhalt für die Annahme, daß dieselbe den
gesamten auf Gesetz beruhenden Rechtszustand, welcher von ihr vor-
gefunden wurde, beseitigt habe, oder daß es durch dieselbe den das Gesetz
handhabenden Behörden überlassen wäre, ihrerseits zu prüfen, ob und
inwieweit ein einzelnes vorhandenes Gesetz dem Prinzip des Art. V,
wonach die Bedingungen und Formen der Beschränkung der persfön-
lichen Freiheit gesetzlich fixiert sein sollen, genügend entspreche, um es
je nach dem Resultat dieser Prüfung anzuwenden oder nicht. Eine der-
artige Revision des bestehenden Rechts war Sache der die Verfassung
ausführenden Gesetzgebung. Die letztere hat bekanntlich das Recht des
Aufenthalts zum Zweck der Niederlassung in Preußen nicht neu geregelt,
sondern nur in einem hier nicht in Betracht kommenden Punkte modi-
fiziert (Gesetz vom 21. Mai 1855, Ges.-Samml. S. 311). Es fragt sich
daher nur, ob der § 2 Nr. 2 a. a. O. durch die spätere Strafrechtsgesetz-
gebung beseitigt ist, indem diese die Stellung unter Polizeiaufsicht als
durch den Strafrichter zu verhängende Nebenstrafe allgemein einführte
Cahn, Staatsangehörigkeitsgesetz. 4. Aufl. 15