Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Anhang. Anlage Nr. 10. 237 
2. Die Ausweisung darf in den Fällen des § 3 Absatz 2 des Frei- 
zügigkeitsgesetzes nicht für länger als die Dauer der Aufenthalts 
beschränkungen bezw. die Dauer der von der Verbüßung der letzten 
Strafe wegen Bettelns oder Landstreicherei zu berechnenden zwölf 
Monate verfügt werden. 
3. Aus Bundesstaaten, in welchen auf Grund landesrechtlicher Be- 
stimmungen bereits nach einmaliger Bestrafung wegen Bettelns 
oder Landstreicherei eine Aufenthaltsbeschränkung polizeilich ver- 
fügt werden kann, wird wegen einer derartigen Aufenthalts- 
beschränkung eine Ausweisung nicht erfolgen. 
4. Bei Ausweisungen auf Grund des § 3 Absatz 2 des Freizügigkeits- 
gesetzes sind bezüglich des Verfahrens die Bestimmungen des 
Gothaer Vertrages vom 15. Juli 1851 (§§ 8 bis 12) und die zur 
Ausführung derselben später getroffenen Vereinbarungen zur 
Anwendung zu bringen. 
Bei den bezüglichen Beratungen ist diesseits an der Auffassung 
festgehalten, daß auf Grund des § 3 Absatz 2 der Aufenthalt in einem 
Bundesstaate — die sonstigen Erfordernisse vorausgesetzt — nur solchen 
Reichsangehörigen verweigert werden kann, welche in einem anderen 
Bundesstaate entweder Aufenthaltsbeschränkungen unterliegen oder 
wegen wiederholten Bettelns oder wiederholter Landstreicherei bestraft 
worden sind. In dieser Beziehung ist eine Verständigung im Bundes- 
rate nicht zustande gekommen, vielmehr eine Verschiedenheit der Auf- 
fassungen bestehen geblieben, indem einige Bundesregierungen das Er- 
fordernis der in einem anderen als dem Aufenthaltsstaate verhängten 
Strafe oder Aufenthaltsbeschränkung bestreiten und sich auch ohne diese 
Voraussetzung zur Ausweisung nach § 3 Absatz 2 des Freizügigkeits- 
gesetzes für befugt halten. 
Nachdem die Verhandlungen im Bundesrat zu diesem Ergebnis 
geführt haben, wird zwar grundsätzlich an der bisherigen diesseitigen 
Auslegung des Gesetzes festzuhalten, indessen den durch die verschiedene 
Handhabung des Gesetzes in der erwähnten Richtung geschaffenen, tat- 
sächlichen Verhältnissen entsprechende Rechnung zu tragen sein, um die 
aus dieser Verschiedenheit sich für uns ergebenden offenbaren Nachteile 
ferner zu vermeiden. Es ist deshalb der unserer Auslegung des Gesetzes 
widersprechenden Anwendung bis auf weiteres nicht mehr entgegen- 
zutreten, sondern den betreffenden Bundesstaaten gegenüber in derselben 
Weise tatsächlich zu verfahren, so daß also Angehörigen dieser Bundes- 
staaten bei dem Zutreffen der übrigen Erfordernisse des § 3 Absatz 2 der 
Aufenthalt in Preußen auch dann zu versagen ist, wenn dieselben hier 
Aufenthaltsbeschränkungen unterworfen oder hier wegen wiederholten 
Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden sind.
	        
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