Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

72 I.I. Abschnitt. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. § 9. 
nahme, daß der neue § 9 Abs. 1 den Bundesstaaten die Möglichkeit gibt, die 
Durchführung dieses Beschlusses wirksamer als bisher zu sichern. Abgesehen 
von diesem letzten Punkt wird § 9 Abs. 1 nur eine, freilich ganz unbeab- 
sichtigte Folge haben. Hatte bisher ein Bundesstaat ein Naturalisations- 
gesuch zu behandeln, an dem nach dem Bundesratsbeschluß vom 22. Januar 
1891 ein anderer Bundesstaat interessiert war, so traten die beiden beteiligten 
Staaten wegen der Erledigung des Gesuchs in direkten Verkehr. Über alle 
sonstigen Naturalisationsgesuche wurde von den Behörden des Bundes- 
staats, bei dem sie eingereicht waren, allein entschieden. In Zukunft muß, 
abgesehen von den alsbald zu besprechenden Ausnahmefällen, jedes Ein- 
bürgerungsgesuch, mag der Antragsteller auch eine absolut einwandfreie 
Persönlichkeit sein und die schließliche Genehmigung des Gesuchs außer allem 
Zweifel stehen, das umständliche Verfahren nach § 9 Abs. 1 durchmachen. 
Das bedeutet für alle Gesuche, auch für die von dem mehrfach erwähnten 
Bundesratsbeschluß betroffenen, eine Verzögerung, die im günstigsten Fall 
wohl immer mehrere Monate betragen wird. Bemerkt sei übrigens, daß die 
Außerachtlassung des § 9 Abs. 1 eine geschehene Einbürgerung nicht unwirk- 
sam macht.“ · 
Lenels Bedenken gegen die bei künftigen Einbürgerungen von Aus- 
ländern einzuschlagende Verwaltungspraxis entbehren nicht einer gewissen 
Berechtigung. , 
Da jedes Gesuch des Ausländers um Einbürgerung von dem beteiligten 
Bundesstaat ohne weiteres abgewiesen werden kann und dem Ausländer 
kein Mittel geboten wird, sich über diese Abweisung zu beklagen, daher auch 
eine Umfrage bei den übrigen Bundesstaaten gar nicht in Betracht kommt, so 
kann der ganze durch § 9 Abs. 1 vorgeschriebene Apparat einfach umgangen 
werden. Andererseits kann man aber nicht bestreiten, daß die dem § 9 Abs. 1 
zugrunde liegende Idee, das Reich in seiner Gesamtheit an der Einbürgerung 
eines Ausländers zu beteiligen, als eine Förderung des Reichsgedankens be- 
trachtet werden muß. Daß durch die vorgeschriebene Umfrage bei den Bundes- 
staaten die Entscheidung über das Einbürgerungsgesuch, wie Lenel sagt, eine 
monatelange Verzögerung erleidet, wird im Hinblick darauf, daß alle übrigen 
Staaten eine der Naturalisation vorausgehende Niederlassungssrist verlangen, 
nicht sehr ins Gewicht fallen. Im ganzen genommen wird abgewartet werden 
müssen, wie sich diese gesetzliche Bestimmung in der zukünftigen Handhabung 
bewähren wird. 
2. festgestellt worden ist. 
Über die Form der an die verschiedenen Bundesstaaten zu richtenden 
Anfragen s. die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats vom 27. Nov. 
1913 (Anhang, Anl. Nr. 1; vgl. auch Vsfg. d. kgl. preuß. Min. d. J. vom 31. Okt. 
1897, Anhang, Anl. Nr. 15). 
3. finden keine Anwendung. 
Die hier aufgeführten Fälle, in welchen das Befragen der Bundesstaaten 
nicht erfolgen soll, sind nicht erschöpfend aufgezählt. Auch in den §8 10, 11, 15 
S§o.
	        
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