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2. Münz-Wesen.
Bis zum 28. Juni d. Is. waren in den Münzstätten des Deutschen Reichs in Zwanzigmarkstücken 605,271,010
Mark und in Zehnmarkstücken 126,662,630 Mark ausgeprägt worden. In der Woche vom 29. Juni bis 5. Juli
d. Is. sind serner geprägt in Zwanzigmarkstücken: in Verlin 5.909,800 Mark, in Hannover 1,801,620 Mark,
in Frankfurt a. M. 3,007,220 Mar, in München 1,620,240 Mark, in Dresden 956,380 Mark, in Stuttgart
1,757,700 Mark und in Darmstadt 387,600 Mark.
Die Gesammt-Ausprägung stellt sich daher bis zum 5. Juli d. Is. auf 747,440,230 Mark, wovon
620,777,600 Mark in Zwanzigmarkstücken und 126,662,630 Mark in Zehnmarkstücken bestehen.
3. Justiz-Wesen.
Erkenntniß des Reichs-Oberhandelsgerichts
in der Prozeßsache der Stadtgemeinde Kahla wider den Reichsfiskus, wegen Entschädigung für die
Aufhebung von Flößereiabgaben nach dem Bundesgesetze vom 1. Juni 1870 (B.-G.-B. S. 312).
Das Vundesgesetz vom 1. Juni 1870 (Bundes-Ges.-Bl. S. 312) gestattet für nur-flößbare Strecken natürlicher,
mehreren Bundesstaaten gemeinsamer Wasserstraßen die Forterhebung nur solcher Fsöberch-Abgaben, welche für
die Benutzung besonderer, Verkehr-erleichternder Anstalten entrichtet werden. Für die Aufhebung der hiernach
unzulässigen Abgaben entschädigt die Bundeskasse nur dann, wenn das Erhebungsrecht „auf einem lästigen
Privatrechtstitel beruht und nicht einem Bundesstaate zusteht.“
Die thüringer Saale, welche mit ihrem nur-flößbaren Theile verschiedene Bundesstaaten (Reuß,
Preußen, Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Altenburg) durchfließt, passirt
unter einer steinernen Brücke das altenburger Städtchen Kahla. Diese Kommune erhob dort von Alters her
von jedem anlangenden oder passirenden Floß einen Zoll von 2 gGr. Nach Emanirung des Bundesgesetzes
sorderte sie für dessen Wegfall vom Bundesfiskus Entschädigung. Mit diesem Antrage zurückgewiesen, weil sie
einen lästigen Titel nicht für sich habe, erhob sie innerhalb der gesetzlichen Frist Klage auf Zahlung. von
9290 Thlr. 15 Gr. 6 Pf. nebst Zinsen seit Neujahr 1871, d. h. des Achtzehnfachen des angeblich in den letzten
20 Jahren jährlich vereinnahmten durchschnittlichen Zollreinertrags.
Beide Instanzen, das Stadtgericht und das Kammergericht zu Verlin, haben, ohne Beweiserhebung,
diese Klage zurückgewiesen, und deshalb ist von der Klägerin die Nichligkeits-Beschwerde erhoben.
Ihrem Anspruche gab sie folgende Begründung:
In Kahla habe schon im 14. Jahrhundert eine hölzerne Brücke über die Saale geführt. Durch die
Flößerei sei diese Brücke häufig beschädigt. Deshalb seien mittelst eines noch vorhandenen „Briefs“ von 1369
Bürger und Stadt zu Kahla vom Landgrafen begnadigt worden, jedes Floß, das die Brücke „schädlich rührete"“,
aufzuhalten (zu pfänden) und sein Holz zur Brücke zu verwenden. Dies Konufiskationsrecht habe zu vielen
„Inkonvenienzen“ zwischen Stadt und Floßleuten geführt. Deshalb hätte die Stadt mit den Flößern eine
Vereinbarung getroffen, wonach jene an Stelle der Holzbrücke eine steinerne erbauen und erhalten, auch eln
(Sicherheits-) Seil an der Brücke halten sollte, die Floßleute aber „für sich und ihre Nachkommen“ sich ver-
pflichtet, für ein jedes die Saale passirende Floß dem Rath zu Kahla 2 gGr. zu entrichten. Dieser Vertrag
sei landesherrlich (vom Herzog zu Sachsen, Landgrafen zu Thüringen) in einer Urkunde dd. Weimar Sonntag
Se xagesimac 1561, welche das Wesentliche des Abkommens aufgenommen, bestätigt und beiderseits erfüllt.