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letztere allein ist daher auch als die Ortspolizeibehörde zu betrachten, bei welcher in Gemäßheit des
§. 8 cit. die Anmeldung neuanziehender Personen erfolgen muß.
Die eigene Annahme des N. durch den Gutsbesitzer P. im März 1869 war daher bedeutungslos
und nicht geeignet, die polizeiliche Anmeldung zu ersetzen.
Da durch den Aufenthalt des N. in dem nach der endgültigen Entscheidung der Deputation zum
Gutsbezirke gehörigen Spritzenhause der am 31. März 1869 begonnene Aufenthalt im Gutsbezirke
fortgesetzt wurde, so bleibt zu erörtern, welchen rechtlichen Einfluß auf den Erwerb eines neuen, resp.
den Verlust des früheren Unterstützungswohnsitzes die Thatsache gehabt haben könnte, daß der Schmied
N. demnächst in dem Backhause der Pfarre Aufnahme fand und mit seiner Familie bis zum
1. Oktober 1871 verblieb. Wäre es richtig, daß, wie der Verklagte in dieser Instanz zuerst be-
hauptet, dieses Backhaus zum Gutsarmenverbande und nicht zum Bezirke des Ortsarmenverbandes
Schloenwitz gehört, so würde R., als er am 1. Oktober 1871 nach Schievelbein umzog, länger als
2 Jahre — vom 31. März 1869 bis 1. Oktober 1871 — ununterbrochen seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Gutsarmenverbande gehabt haben, und ebenso lange aus dem Bezirke des Ortsarmen-
verbandes abwesend gewesen sein, also nach den §§. 10 und 12 Nr. 2, sowie §. 65 Nr. 4 des
Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 einen neuen beim Eintritt der Hülfsbedürftigkeit — Dezember
1871 — noch bestehenden Unterstützungswohnsitz erworben, dagegen denjenigen im bäuerlichen Orts-
armenverbande verloren haben. Es handelt sich zwar auch insofern um eine Frage über die ört-
liche Abgrenzung zweier Armenverbände, bezüglich welcher nach §. 41 des Reichsgesetzes resp. §. 57
des preußischen Ausführungsgesetzes vom 8. März 1871. eine von der Deputation getroffene Ent-
scheidung endgültig und einer Abänderung durch das Bundesamt nicht zugänglich sein würde. Da
indessen der §. 41 bezüglich des Falles nichts bestimmt, wo eine bestimmte Frage dieser Art gar
nicht Gegenstand der Entscheidung der höchsten landesgesetzlichen Instanz geworden ist, sondern sich
erst, wie hier, vor dem Bundesamte erhoben hat, so muß für solche Fälle das Bundesamt, Mangels
einer seiner Kompetenz beschränkenden Bestimmung, um so sicherer für zuständig erachtet werden, über
eine solche Abgrenzungsfrage zu entscheiden, als demselben keine Mittel zu Gebote stehen würden,
die landesgesetzliche Instanz zu elner anderweiten Entscheidung der Sache unter Berücksichtigung des
von dem Bundesamte eingenommenen Rechtsstandpunktes zu nöthigen.
Die von dem Bundesamte hiernach in dem Resolut vom 27. Oktober v. Js. angeordnete Er-
mittelung über die Zubehörigkelt des fraglichen Backhauses hat aber ein völlig negatives Resultat
ergeben. Der Königliche Landrath zu S. hat nämlich die amtliche Erklärung abgegeben, erstens, daß
eine genaue räumliche Abgrenzung der Gutsbezirke und des Genieindebezirks von Schloenwitz, soweit
es das Pfarrhaus und das dazu gehörige Backhaus betrifft, weder nach Maßgabe der §§. 5 — 8
des preußtschen Gesetzes vom 31. Dezember 1842 über die Verpflichtung zur Armenpflege, noch
nach den §§. 3 und 4 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 erfolgt ist, und zweitens, daß der Grund
und Boden, auf welchem das Pfarrhaus mit Appertinentien und namentlich das auf der Viehtrist
stehende Backhaus gebaut ist, nach dem Separations-Rezeß vom 25. Juli 1825 als den „Patronen
und der Gemeinde“ gemeinschaftlich gehörig bezeichnet ist. Nur die Erklärung ad 1 interessirt für
die vorliegende Entscheidung, da nach §. 8 des Reichsgesetzes der Unterstützungswohnsitz dadurch er-
worben wird, daß der Betreffende innerhalb eines Ortsarmenverbandes nach zurückgelegtem
24. Lebensjahre zwei Jahre lang ununterbrochen selnen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, und
von einem Aufenthalt innerhalb eines solchen Verbandes nur die Rede sein kann, sobald die in
dem §. 4 des Reichsgesetzes angeordnete räumliche Abgrenzung der betreffenden Verbände stattgefunden
hat, und der Aufenthalt in einem Grundstücke konstatirt ist, welches bei dieser Abgrenzung dem
Armenverbande, in welchem der Erwerb des Unterstützungswohnsitzes behauptet wird, zugeschlagen
ist. Dagegen würde es für die vorliegende Frage ohne Erheblichkeit sein, wenn, wie der Verklagte
gegenüber der Erklärung des Landraths unter Nr. 2 behauptet, in Folge eines stattgehabten Tausch-
geschäfts die Trift, auf welcher das Backhaus steht, nunmehr einen Bestandtheil des Dominlums
bildete. Denn in armenrechtlicher Beziehung können die Eigenthumsverhältnisse bezüglich eines be-
stimmten Grundstücks nicht allein entscheiden. Wenn es nun aber unbestritten feststeht, daß bezüg-
lich der fraglichen Trift und des darauf stehenden Backhauses eine Abgrenzung der Armenverbands-
bezirke bisher nicht stattgefunden hat, dieses Grundstück also namentlich nicht dem Bezirke des klagen-
den Armenverbandes allein zugeschlagen ist, so ergiebt sich hieraus mit Nothwendigkeit, daß der
Aufenthalt auf diesem Grundstücke zum Erwerbe des Unterstützungswohnsitzes im Gutsarmenverbande