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mehr sind alsdann die Kosten dem Beerdigungsaufwande hinzuzurechnen, zu welchem sie in dem-
selben Verhältnisse stehen, wie die Kosten ärztlicher Feststellung der Erwerbsunfähigkeit oder der
Geisteskrankheit zu dem Aufwande der Unterstützung im engeren Sinne. Sie sind als noth-
ais kelufwendungen zum Zwecke der Beerdigung ebenso erstattbar, wie die Kosten des Begräb-
nisses selbst. n
Daß in dem zu entscheidenden Falle die Zuziehung des Kreiswundarztes R. und die An-
stellung von Wiederbelebungsversuchen geboten war, um den Tod des Joseph S. zu konstatiren,
ist vom Verklagten nirgend bestritten. Die Liquidation ist aber insofern angefochten, als nach
Behauptung des Verklagten der Kreiswundarzt R. fest remunerirter Armenarzt und zur Berech-
nung von Gebühren für die versuchte Wiederbelebung Hülfsbedürftiger nicht berechtigt ist, und
als Verklagter eventuell sich nur verpflichtet erachtet, den tarifmäßigen Pauschsatz für eintägige
ärztliche Behandlung zu vergüten. Was den erstgedachten Einwand betrifft, so ist derselbe durch
die in jetziger Instanz vom Landrathsamt Lüben eingeholte amtliche Auskunft vollständig wider-
legt. Nicht minder unbegründet ist die zweite Ausstellung gegen die Liquidation, da der Betrag
von 9 Mark nicht für ärztliche Behandlung eines Kranken, sondern für ärztliche Wiederbelebungs-
versuche an einem Todten berechnet ist, mithin für eine Leistung der Armenpflege, auf welche der
Tarif vom 21. August 1871 keine Anwendung findet. Die Angemessenheit des Ansatzes von
9 Mark an sich ist vom Verklagten nicht bemängelt.
b ses diesen Gründen war das erste Erkenntniß auf Kosten des Verklagten und Appellanten
zu bestätigen.
So wenig Krankenpflege die Eigenschaft als Armenunterstützung nur deshalb einbüßt, weil die Kurkosten
nachträglich aus Privatmitteln gedeckt worden sind (Erkenntniß des Bundesamtes vom 20. Januar 1877
in Sachen Berlin c/a. Rospitz — Central-Blatt p. 116), so wenig nimmt dieselbe den Karakter der Armenpflege
ohne weiteres an, wenn sich hinterdrein herausstellt, daß die Kurkosten aus Privatmitteln nicht gedeckt werden
können. Letzteres führt eine Entscheidung des Bundesamtes vom 5. Mai 1877 in Sachen Spandau #.
Berlin aus, deren Motive den Thatbestand des Falles vollständig enthalten:
Der Militär-Invalide Karl Reinhold K., unbestritten ortsangehörig in Berlin, ist, während
er in Spandau als Polizeisergeant probeweise im Dienste stand, an einem rheumatischen Leiden
erkrankt und vom 8. Mai bis 1. Juli 1875 in dem dortigen Krankenhause verpflegt und äzt-
lich behandelt worden.
Die Parteien streiten darüber, ob K. öffentlicher Unterstützung bedurfte und im Wege der
Armenpflege Aufnahme in das Krankenhaus gefunden hat. Das erste Erkenntniß tritt der vom
Verklagten vertretenen Ansicht bei, daß es sich bei der Aufnahme nicht sowohl um Unterstützung
eines Hülfsbedürftigen, als um die schuldige dienstliche Fürsorge für einen erkrankten städtischen
Beamten gehandelt habe.
Daß den Kommunen die Verpflichtung obliege, in ihren Krankenhäusern kranke Kommunal-
beamte lediglich im dienstlichen Interesse unentgeltlich zu verpflegen, stellt Kläger mit vollem
Rechte in Abrede. Es fehlt dieser Annahme des Verklagten, welche das erste Erkenntniß nicht
verwirft, an jedem gesetzlichen Grunde, insbesondere ist die gedachte Verpflichtung aus der vom
Verklagten allegirten Bestimmung in §. 56 Ziffer 6 der preußischen Städte-Ordnung vom
30. Mai 1853, welche von der Anstellung und Beaufsichtigung der städtischen Beamten durch
den Magistrat handelt, schlechterdings nicht abzuleiten.
Wenn hiernach Kommunalbeamte durch ihre Stellung als solche keineswegs davor bewahrt
sind, der Armenpflege am Dienstorte wegen Hülfsbedürftigkeit zur Last zu fallen, so bedarf es
doch im einzelnen Falle der Prüfung, ob Armenpflege gewährt ist und nothwendig war.
Als K. am 8. Mai 1876 in das Krankenhaus aufgenommen wurde, nahm er Armenpflege
nicht in Anspruch. Wenigstens enthält die Rezeptionsverhandlung keine Andeutung darüber, wie