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Zeitraums bei der Fristberechnung außer Betracht bleiben mußte, wenn die Begründung eines
neuen Unterstützungswohnsitzes in Frage wäre. Vom Beklagten ist denn auch ein Einwand aus
§. 11 Alinea 2 cit. nicht erhoben worden.
2. In Sachen Magdeburg wider Königsborn deduzirt das Bundesamt, wie nachsteht:
Es fragt sich, ob der laut Geburtszeugniß am 31. Dezember 1852 geborene Arbeiter K.
vor dem Eintritte der Armenpflege des Klägers — am 12. August 1880 — des durch Abstam-
mung erworbenen Unterstützungswohnsitzes im Gutsbezirke Königsborn vermöge zweijähriger
ununterbrochener Abwesenheit verlustig gegangen war. Er hat das 24. Lebensjahr am 31. De-
zember 1876 zurückgelegt und sich unbestritten von diesem Zeitpunkte ab bis 12. Oktober 1878
in Magdeburg, wo er als Güterboden-Arbeiter der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn in
einem festen Arbeitsverhältnisse stand, aufgehalten, dann aber, weil er erkrankt war und bessere
Pflege im elterlichen Hause zu finden hoffte, nach Königsborn sich gewendet und ist daselbst bis
27. Dezember 1879 geblieben. Es fragt sich, ob durch diese 14—15 Monate dauernde Anwesen-
heit am Orte des Unterstützungswohnsitzes die zweijährige Verlustfrist, welche am 31. Dezember
1876 zu laufen begann, vor ihrem Ablaufe unterbrochen worden ist. «
Mit Unrecht hat der erste Richter diese Frage verneint.
Die Bestimmung in §. 25 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870, nach welcher die Ab-
wesenheit als durch Rückkehr nicht unterbrochen gelten soll, wenn die Umstände, unter welchen
die Rückkehr erfolgte, die Absicht nicht dauernder Fortsetzung des Aufenthaltes erkennen lassen,
ist nicht etwa dahin zu interpretiren, daß nur eine Rückkehr zu immerwährendem Aufenthalte die
Abwesenheit unterbricht. Das kann der Gesetzgeber unmöglich haben sagen wollen, da er sogar
einen neuen Unterstützungswohnsitz durch einen, der Zeit nach beschränkten Aufenthalt begründen
läßt, sofern dieser Aufenthalt ein gewöhnlicher war, und zwei Jahre ununterbrochen dauerte.
Vielmehr versteht §. 25 eit. unter nicht dauerndem Aufenthalte einen kurz vorübergehenden Auf-
enthalt am Orte des Unterstützungswohnsitzes, welcher nicht die Merkmale des gewöhnlichen Auf-
enthaltes trägt. Als ein solcher kurzer Besuch läßt sich aber eine Anwesenheit von 14 bis
15 Monaten nicht auffassen, zumal wenn bei der Rückkehr ein bestimmter naher Termin der
Wiederentfernung keineswegs ins Auge zu fassen war.
Allerdings hat K. nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme lange an der Hoffnung fest-
gehalten, daß eine Besserung seines Krankheitszustandes ihm gestatten werde, in sein früheres
Arbeitsverhältniß zu Magdeburg wieder einzutreten. Denn er hat erst Ende Januar 1879 die
in Magdeburg zurückgebliebenen Effekten abholen und sich dort abmelden lassen. Man kann aber
deshalb allein den Aufenthalt in Königsborn nicht später beginnen lassen, als er wirklich be-
gonnen wurde. Die Fortdauer des Aufenthaltes in Magdeburg auch während der Abwesenheit
in Königsborn anzunehmen, würde sich nur dann rechtfertigen, wenn K. binnen kurzem nach
Magdeburg auch wirklich zurückgekehrt wäre, und inzwischen seine dortige Wohnung behalten oder
auf andere Weise die Beibehaltung des Aufenthaltes an den Tag gelegt hätte (§F. 13 des Reichs-
gesetzes). Es läßt sich aber der Aufenthalt in Königsborn nicht bald als ein Aufenthalt in
Magdeburg fingiren, bald als wirklicher Aufenthalt in Königsborn ansehen, je nachdem K. hoffte,
beziehungsweise wieder nicht hoffte, gesund zu werden und in das frühere Arbeitsverhältniß
zurückzutreten. Vielmehr ist die Anwesenheit in Königsborn als ein Ganzes zu betrachten, und
als solches der rechtlichen Beurtheilung zu unterziehen. Die thatsächliche Dauer derselben gestattet
nicht, den §. 25 des Reichsgesetzes im vorliegenden Falle zur Anwendung zu bringen, und würde
dies nicht gestatten, wenn K. selbst während der ganzen Dauer des Aufenthaltes die Absicht
gehegt hätte, den Aufenthalt in Magdeburg beizubehalten, da die Absicht allein nicht entscheidet.
Ebensowenig war die Absicht der Rückkehr, welche sich nicht vor dem 27. Dezember 1879 ver-
wirklicht hat, für sich allein ausreichend, um einen Theil der in Königsborn verlebten Zeit als
außerhalb Königsborn in Magdeburg zugebracht anzusehen (vergl. Wohlers, Entscheidungen
Heft XI. p. 4).