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aber unzweifelhaft vor allem eine ungesäumte Benachrichtigung desselben davon, daß an seiner Stelle
der Aufenthaltsort eine (provisorische) Unterstützung übernommen hat, damit jener dadurch in die Lage
komme, die seinem eigenen Interesse entsprechenden Vorkehrungen selbst zu treffen. Da jedoch der Aufenthalts-
ort nicht immer im stande ist, diese Benachrichtigung sofort mit Beginn der nöthigen Unterstützung zu be-
wirken, indem er den Unterstützungswohnsitz des Hülfsbedürftigen oft erst noch ausfindig machen muß, so
sucht der Gesetzgeber die sich hierin entgegenstehenden Interessen durch die Bestimmung auszugleichen, daß
eine binnen 6 Monaten vom Beginn der provisorischen Unterstützung gemachte Benachrichtigung des definitiv
Unterstützungspflichtigen noch als rechtzeitig gemacht anzusehen sei. Um dieser Frist auch Beachtung zu ver-
schaffen, durfte die Androhung eines Rechtsnachtheils im Falle der Vernachlässigung nicht unterbleiben.
Indem nun der Gesetzgeber im §F. 34 des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes den Verlust des Ersatzanspruchs
als diesen Rechtsnachtheil festsetzt, erhebt sich bei der Zweifelhaftigkeit der Gesetzesfassung allerdings die
Frage, in welcher Ausdehnung dieser Verlust eintreten soll. In dieser Beziehung ist jedenfalls so viel
gewiß, daß dem angedrohten Rechtsnachtheil nicht eine solche Ausdehnung gegeben werden darf, daß dadurch
in Aenderung der gesetzlichen Grundeinrichtung der provisorisch verpflichtete Armenverband schlechthin zum
definitiv Verpflichteten umgewandelt würde, wie dies der Fall wäre, wenn man dem in der Benachrichtigung
säumigen provisorischen Armenverbande schlechthin jede Ersatzforderung, also auch den Ersatz desjenigen Auf-
wandes entziehen wollte, welcher der wirklich, wenn auch verspätet gemachten Anmeldung nachfolgte. Eine
solche Auffassung des §. 34 würde nicht nur der bekannten Auslegungsregel widerstreiten, wonach jede Be-
schränkung eines allgemeinen Rechtssatzes in strikter Weise auszulegen ist, sondern auch über den Zweck der
in §. 34 unter der Aufschrift „Verfahren in Streitsachen der Armenverbände“ getroffenen Einrichtung hinaus-
gehen, indem dadurch offenbar nur für den provisorisch unterstützenden Armenverband mittelst des angedrohten
Rechtsnachtheils ein wirksames Motiv zur baldigen Benachrichtigung des definitiv verpflichteten Armenverbands
behufs Wahrung seines Interesses beschaffen werden sollte, ohne dabei das gesetzliche Grundprinzip über die
Unterstützungspflicht völlig beseitigen zu wollen. Hiernach erscheint es gerechtfertigt, den Rechtsnachtheil
der Versäumniß soweit, aber auch nur soweit zu erstrecken, als letzterer selbst reicht, vom
Tage der nachträglichen (nach 6 Monaten) wenn auch verspäteten Anmeldung an aber wieder das normale
Verhältniß zwischen beiden Armenverbänden gelten zu lassen.
Dieses Ergebniß, welches allerdings eine Modifikation einer früher einmal aufgestellten Ansicht des
Gerichtshofes enthält, entspricht ebenso der Natur der Sache, als der natürlichen Billigkeit und findet wie
in dem früheren Paragraphen 23 des badischen Armengesetzes, so auch in dem Paragraphen 29 Abst. 2
des Reichs-Unterstützungswohnsitz-Gesetzes einen ganz analogen Ausdruck.
Dieser Auslegung steht der Wortlaut des §. 34 des Reichs-Unterstützungswohnsitz-Gesetzes keineswegs
in unübersteiglicher Weise entgegen. Allerdings ist derselbe von der Art, daß die Worte „Verlust dieses
Anspruchs“ grammatisch sowohl auf die aufgewendeten als auch auf die aufzuwendenden Kosten bezogen
werden können; allein logisch ist dies eben, wie dargethan, unstatthaft, abgesehen davon, daß juristisch
von dem Verluste eines Ersatzrechtes überhaupt nur bezüglich aufgewendeter Kosten die Rede sein kann.
Das Bundesamt hat auf die Berufung des Klägers unter Festhaltung seiner bisherigen Praxis
durch Erkenntniß vom 26. Mai 1883 in Abänderung der Vorentscheidung den Beklagten nach dem Klage-
antrage verurtheilt. Die
Gründe
des Erkenntnisses, insoweit sie hier in Betracht kommen, lauten:
Was den der Klage entgegengesetzten aus §. 34 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 hergeleiteten
Einwand anlangt, so hat das Bundesamt aus den Ausführungen der Vorderrichter keine Veranlassung finden
können, von dem in konstanter Judikatur festgehaltenen Satze abzugehen, daß der Anspruch auf Kostenersatz
durch die Fristversäumung nur für die über 6 Monate zurückliegende Zeit präkludirt werde. Wie wiederholt
ausgeführt worden, bildet der Kostenersatzanspruch im Falle fortlaufender Unterstützung keine untheilbare
Einheit, sondern setzt sich aus einer Reihe von einzelnen Forderungsrechten zusammen, welche mit jedem
Tage der Unterstützung neu entstehen und der Präklusion nur im einzelnen unterliegen.
# Auch mußte die von dem klagenden Armenverband am 31. März 1881 an das Oberamt vorforg-
lich gerichtete Anmeldung als eine wirksamerweise an die zuständige vorgesetzte Behörde gerichtete betrachtet
werden. Daß der Christian K. über die näheren Umstände, unter welchen er aus dem Hospitale in Pforz-