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wähnung der durch die sonstigen „Unterhändler“ ausgestellten Schriftstücke neben den von den Kontrahenten
ausgestellten wäre überflüssig, wenn die ersteren nur unter der Voraussetzung der Mitunterzeichnung seitens
desjenigen Kontrahenten unter das Gesetz fielen, mit welchem der Unterhändler die zum Abschlusse des Ge-
schäfts führende Verhandlung gepflogen hat.
Daß die in Frage stehenden sechs Geschäftsbriefe in dem zuletzt bezeichneten Sinne beweiserhebliche
Urkunden sind, insofern sie im Verhältnisse der Zuckerfabrik zu N. als der Auftraggeberin und den An-
geklagten als den Unterhändlern über die Ausführung des den letzteren ertheilten Auftrags, über die That-
sache des für jene vermittelten oder sonst herbeigeführten Geschäftsabschlusses und die Bedingungen des Ge-
schäfts Beweis liefern, ist nicht zu beanstanden. Mit Rücksicht auf diesen ihren urkundlichen Inhalt gehören
sie daher zu den in Nr. 4 a des Tarifs bezeichneten stempelpflichtigen Urkunden, und erscheint hierfür nament-
lich deren Einkleidung in die Briefform an sich und vorbehaltlich der Frage, ob die Befreiung unter Nr. 3
für sie zutrifft, ohne Bedeutung (zu vergl. Anmerkung 3 zu Nr. 4 des Tarifs).
Dagegen ist die vorinstanzliche Entscheidung zu beanstanden, soweit sie auf Grund des festgestellten
Sachstandes die soeben erwähnte Befreiung als hier nicht einschlagend bezeichnet. — Wenn die Anmerkung 3
zu Nr. 4 vorschreibt, daß in Betreff der Stempelpflichtigeit der zu a und b bezeichneten Schriftstücke es
keinen Unterschied mache, ob dieselben in Briefform oder in irgend einer anderen Form ausgestellt werden,
und wenn andererseits im Anschlusse hieran unter Nr. 3 der Befreiungen bestimmt ist, daß die Abgabe
nicht zu erheben ist von Briefen über die unter a bezeichneten Geschäfte, wenn die Briefe auf Entfernungen
von mindestens fünszehn Kilometern befördert werden, so ist nicht zu verkennen, daß hiermit Zweifel und Un-
sicherheiten in das Gesetz hineingekommen sind, deren Lösung im einzelnen Falle in Ermangelung festbestimmter,
aus dem Gesetze selbst sich ergebender Entscheidungsnormen erheblichen Schwierigkeiten unterliegen kann. Der
Grund aber, aus welchem die Vorinstanz die Befreiung hier versagen läßt, ist jedenfalls rechtsirrthümlich.
Die Vorinstanz will unter den von der Abgabe befreiten Briefen nur die dem Geschäftsabschlusse vorher-
gehende Korrespondenz verstanden, dagegen jede auch briefliche Mittheilung, welche den Abschluß eines der
unter Nr. 4a des Tarifs gedachten Geschäfte betrifft und für den Beweis von Rechten oder Rechtsverhält-
nissen von Erheblichkeit ist, als stempelpflichtige Urkunde im Sinne des Reichsgesetzes vom 1. Juli 1881 an-
gesehen wissen. Mit Recht macht die Revision der Angeklagten hiergegen geltend, daß die bloße, einen Ge-
schäftsabschluß einleitende, nur vorläufige Anfragen oder einseitige Offerten enthaltende Korrespondenz ihrem
Inhalte nach nicht unter das Gesetz fällt, welches eine Urkunde voraussetzt, welche über den Abschluß des
Geschäfts ausgestellt ist, während die Befreiung unter Nr. 3 logischerweise nur solche Schriftstücke betreffen
kann, welche an sich, und dafern nicht die unter Nr. 3 bezeichneten Voraussetzungen — Briefform und Be-
förderung auf eine Entfernung von mindestens fünfzehn Kilometern — vorlägen, zu den in Nr. 4 a des
Tarifs bezeichneten stempelpflichtigen Urkunden gehören würden.
Zweck der Befreiung unter Nr. 3 ist nach den Motiven (Drucksachen des Reichstags vom Jahre 1881
Nr. 59 Seite 32) die Befreiung der eigentlichen Handelskorrespondenz von der Stempelabgabe.
Weder in dem Kommissionsberichte (angez. Drucksachen Nr. 162, insbesondere Seite 17 ff.), noch in den
Verhandlungen des Reichstags ist eine abweichende Auffassung hinsichtlich der Tendenz dieser Vorschrift zu
Tage getreten. Dieser Zweck einerseits, Inhalt und Bestimmung dessen andererseits, was unter „eigentlicher
Handelskorrespondenz“ zu verstehen ist, gewähren die Unterlagen für Auslegung der fraglichen Gesetzesvorschrift.
Gegenstand und Zweck der Handelskorrespondenz sind nun, soweit zunächst die Korrespondenz unter den ver-
tragschließenden Theilen selbst in Frage steht, nicht bloß unverbindliche Mittheilungen und Benachrichtigungen,
sondern ganz wesentlich auch Herbeiführung des Konsenses unter Abwesenden über ein von diesen abzuschließen-
des Handelsgeschäft. Soll durch die zwischen zwei Personen gewechselten Briefe eines der in Nr. 4a des
Tarifs bezeichneten Geschäfte erst abgeschlossen werden, so tritt — die Beförderung der Briefe auf die oben-
bezeichnete Entfernung vorausgesetzt — die Befreiung ein, auch soweit und obgleich durch die den Vertrags-
schluß herbeiführenden brieflichen Erklärungen der Beweis für den Abschluß des Geschäfts und dessen Bedin-
gungen geführt werden kann. Die bloße Eigenschaft der Beweiserheblichkeit, das Geeignetsein, zum Be-
weise von Rechten oder Rechtsverhältnissen zu dienen, schließt die Zugehörigkeit der Briefe zur eigentlichen
Handelskorrespondenz nicht aus. Anders dagegen, wenn die Bestimmung des in Briefform gefaßten Schrift-
stückes die Schaffung einer Beweisurkunde ist, durch welche dem anderen Theile ein Beweis-
mittel über Abschluß und Bedingungen des Geschäfts gewährt werden soll. Die Bestimmung, derartige Beweis-
mittel zu schaffen, liegt der gewöhnlichen Handelskorrespondenz fern. Ist daher die Absicht der Betheiligten hierauf