Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

524 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
sich überall ehrlicher Wille zeigte und viele junge Männer aus den ge- 
bildeten Ständen auf Stein's und Görres' Worte schworen. So tief 
wie in Preußen hatte der Haß gegen die Fremdherrschaft hier niemals 
Wurzeln schlagen können, denn hier war kein verlorener Ruhm zurück- 
zugewinnen. Als die Stunde der Befreiung schlug, thaten zwar die 
Meisten ihre Schuldigkeit, doch ein starker kriegerischer Thatendrang, der 
die böswilligen Regierungen mit fortgerissen hätte, zeigte sich nirgends. 
Nichts bezeichnender als Rückert's Lied für die Coburger Landwehr: „Man 
hat uns eh' gerufen nicht, sobald uns aber rief die Pflicht war'n wir 
bereit zu gehn!“ Ruh' und Frieden war nach dem Jammer dieser end- 
losen Kriegszeit der allgemeine Wunsch. Im Mannheimer Theater wurde, 
bei einer festlichen Aufführung zum Besten der Volksbewaffnung, das 
Schiller'sche Reiterlied gesungen mit der zeitgemäßen, von dem wackeren 
jungen Patrioten A. von Dusch verübten Verschönerung: 
Und setzet Ihr nicht die Ruhe ein, 
Nie wird Euch die Ruhe gewonnen sein. 
Leider führte auch der weitere Verlauf des Krieges Nord= und Süd- 
deutsche einander nicht näher. Das einzige süddeutsche Generalgouverne= 
ment der Centralverwaltung, das Frankfurter, wurde, den dualistischen 
Plänen Hardenberg's entsprechend, österreichischen Beamten und Offizieren 
übergeben; im Elsaß rissen die Baiern eigenmächtig die provisorische Ver- 
waltung an sich ohne nach Stein zu fragen. Treue Waffenbrüderschaft 
verband die Russen und die Preußen nach so vielen gemeinsamen Siegen. 
Die russischen Truppen vergötterten den König Friedrich Wilhelm, der sie 
in ihrer Muttersprache anzureden wußte, und ihren Marschall Vorwärts; 
ein preußischer Soldat blickte zwar nur mit gemäßigter Hochachtung auf 
den russischen Leutnant, der von seinem Major vor der Front geohrfeigt 
wurde, doch die Tapferkeit der Mannschaften schätzte er hoch. Von den 
bairischen und württembergischen Regimentern dagegen hörte er wenig, 
da sie, den Verträgen gemäß, der österreichischen Armee zugetheilt wurden; 
nur die badische Garde focht mit der preußischen vereinigt. So konnte, 
zum Unheil für Deutschland, ein lebendiges Gefühl der Kameradschaft 
zwischen den Preußen und den Truppen der Kleinstaaten sich nicht bilden, 
die gehässigen Erinnerungen aus den blutigen Schlachten des Sommer- 
feldzugs blieben unvergessen. Ein eigener Unstern wollte, daß die kleinen 
Contingente an dem Kriegsruhme der Verbündeten geringen Antheil ge- 
wannen. Ein großer Theil von ihnen wurde zur Einschließung von Mainz 
und in dem thatenarmen flandrischen Festungskriege verwendet; die Frei- 
willigen des sächsischen Banners bekamen den Feind nie zu sehen. Die 
Baiern und Württemberger zogen zwar mit gen Paris und schlugen sich 
mit ihrer gewohnten Tapferkeit, jedoch einen glänzenden Sieg, der die 
Triumphe von Regensburg, Wagram und Borodino verdunkelt hätte, er- 
rangen sie nicht. Darum behauptete der Stern der Ehrenlegion nach wie vor