Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

II. Reichsgesetzgebung. Art. 5. 169 
Weglassungen aufzunehmen, sofern die Berichtigung von dem Einsender unter- 
zeichnet ist, keinen strafbaren Inhalt hat und sich auf tatsächliche Angaben 
beschränkt. Die Verantwortlichkeit für Handlungen, deren Strafbarkeit durch 
den Inhalt einer Druckschrift begründet wird, bestimmt sich nach den be- 
stehenden allgemeinen Strafgesetzen. Ist die Druckschrift eine periodische, so 
ist der verantwortliche Redakteur als Täter zu bestrafen, wenn nicht durch 
besondere Umstände die Annahme seiner Täterschaft ausgeschlossen wird. 
b) Vereinswesen. 
Die Materie ist neuerdings durch das Vereinsgesetz v. 19. April 1908 
R.G.Bl. S. 151 geregelt, dessen grundsätzliche Bestimmung dahin lautet, 
daß alle Reichsangehörigen das Recht haben, zu Zwecken, die den Straf- 
gesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine zu bilden und sich zu versammeln. 
Dieses Recht unterliegt polizeilich nur den in diesem Gesetz und anderen 
Reichsgesetzen enthaltenen Beschränkungen. Daraus, daß das Gesetz sich 
auch auf das Versammlungerecht erstreckt, ergibt sich keine Uberschreitung 
der Reichskompetenz, weil das Wort „Vereinswesen“ zwanglos so weit 
ausgelegt werden kann, daß es jede Vereinigung von Personen, sowohl 
dauernder wie vorübergehender Natur, umfaßt; vgl. die Ausführungen des 
damaligen Staatssekretärs des Innern v. Bethmann Hollweg in der Reichs- 
tagssitzung v. 6. April 1908 St. B. 4733 B. Uber die Versammlungen be- 
stimmt das Gesetz, daß wer eine öffentliche Versammlung zur Erörterung 
politischer Angelegenheiten veranstalten will, hiervon mindestens 24 Stunden 
vor dem Beginn der Versammlung unter Angabe des Ortes und der Zeit 
bei der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten hat; dabei sind einige Aus- 
nahmen zugelassen. Offentliche Versammlungen unter freiem Himmel und 
Aufzüge auf öffentlichen Straßen oder Plätzen bedürfen der Genehmigung 
der Polizeibehörde. Die Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen 
find in deutscher Sprache zu führen; hierbei sind ebenfalls einige Aus- 
nahmen zugelassen, die namentlich für Landesteile von Bedeutung sind, in 
denen „alteingesessene Bevölkerungsteile nichtdentscher Muttersprache“ vor- 
handen find. Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet 
haben, dürfen nicht Mitglieder von politischen Vereinen sein und weder in 
den Versammlungen solcher Vereine, sofern es sich nicht um Veranstaltungen 
zu geselligen Zwecken handelt, noch in öffentlichen politischen Versammlungen 
anwesend sein. Das Reichsgesetz erstreckt sich nicht auf kirchliche und reli- 
giöse Vereine und Versammlungen, ferner nicht auf die Regelung des 
Vereins= und Versammlungsrechts für die Zeiten der Kriegsgefahr, des 
Krieges, des erklärten Kriegs= oder Belagerungszustandes oder innerer Un- 
ruhen, auch nicht auf Verabredungen ländlicher Arbeiter und Dienstboten 
zur Einstellung oder Verhinderung der Arbeit, und endlich mit gewissen 
Ausnahmen nicht auf die Sonntagsruhe. 
Artikel 5. 
Oie Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat und den 
Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versamm- 
lungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend.
	        
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