248 Vierter Teil. Die Landesverwaltung. 8 65
sechs Lebensjahren sollen sie bei Handwerkern oder Ackersleuten untergebracht werden.
Mit der Beendiguug der Schulpflicht treten die Kinder in den vorgenannten Berufs-
gattungen in die Lehre s. Die Kinder erhalten freie Kleidung, unentgeltlichen Elementar-
unterricht und freie ärztliche Behandlung, einschließlich der Arzneien . Die Pflege-
eltern erhalten eine Vergütung und werden häufig kontrolliert; bei guter Behandlung
und Pflege der Kinder können sie Prämien erhalten 10.
Die Waisenpflege endigt mit der Erreichung der Volljährigkeit. Die
Aufsicht über die Kinder führt in jedem Bezirk ein hierzu besonders bestellter Be-
amter, der den Titel Waiseninspektor: führt; er überwacht die Pflege der
Kinder sowohl in den Anstalten wie bei den Pflegeeltern. Als Organ des Bezirks-
präsidenten ist er befugt, mit den Verwaltungskommissionen der Pflegehäuser zu ver-
handeln; direkt verfügen (z. B. über die Unterbringung der Kinder) darf er nicht.
Er erstattet über seine Beobachtungen dem Bezirkspräsidenten Bericht und regt allenfalls
erforderliche Maßnahmen an. Neben dem Waiseninspektor üben noch das Vormund-
schaftsgericht und der Gemeindewaisenrat die Aufsicht über die in Familien unter-
gebrachten Kinder aus (§ 1850 B. G. B.).
Gesetzlicher Vormund aller Kinder ist der Verwaltungsrat des Auf-
nahmepflegehauses. Der Verwaltungsrat bezeichnet eines seiner Mitglieder als be-
sonderen Vertreter des Mündels. Das zuständige Vormundschaftsgericht 12 hat aber die
Befugnis, nötigenfalls dem Kinde einen anderen Vormund oder Mitvormund zu be-
stellen (§ 136 A.G. B. G. B., § 16 A.G. F. G.) 1.
II. Die Kosten der Bezirkskinderpflege zerfallen in innere und äußere Aus-
lagen. Die inneren Kosten umfassen die durch den Aufenthalt der Kinder in der
Pflegeanstalt, die äußeren die durch die Pflege außerhalb der Anstalt erwachsenen
Auslagen, insbesondere die Kosten für Kleider, Krankheit, Beerdigung, Geldprämien,
Umzug usw. . Die Kosten der Aufsicht über die Kinder durch die Bezirkswaisen-
inspektoren trägt der Staat ½.
Die inneren und äußeren Kosten der Pflegekinder sollen zunächst aus dem etwa
vorhandenen Vermögen ½ oder aus dem Dienstlohn derselben gedeckt werden; gegebenen-
zu und auch die Unterhaltspflichtigen der Pfleglinge ersatzpflichtig (§ 136 I A.G.
)
Kann auf diese Weise eine Deckung nicht beschafft werden, so hat für die Kosten
aufzukommen: a) der Ertrag der Stiftungen, welche sämtlichen Pflegehäusern des Be-
zirks zugewendet sind ; b) der Ertrag des gemeinsamen Fonds an den Strafgeldern
bis zu einem Drittel ib; c) von dem alsdann noch nicht gedeckten Betrag, der
verhältnismäßig auf die inneren und äußeren Kosten zu verteilen ist, hat der
Staat ein Fünftel der inneren Auslagen zu zahlen, während! d) die Orts-
armenverbände bis zu einem Fünftel der äußeren Kosten herangezogen werden
6 Ver. v. 19. Jan.#1811 Art. 17, Ver. v. 30. vent. V Art. , Tr- die Genehmigung der
Arbeits--, Kont- und Lehrverträge vgl. gs " 27 Nr. 6 u. 7, 1827 B.G
v ## rt. 13 Dekr. v. 31. Dez. 1858; Art. 46 Ver. v. uni ö%, Art. 3 Nr. 2 u. 6
Ges. v. 5. Mai 1869. Min. Firt. v. ¾# Aug. 1869, de * II S. 313f. Kantonalarzt--O.
v. 2. u. 15. Juu 1891 Nr. 10 Art. 6—9 Ver. v. 30. vent. V.
11 Derselbe in Landesbeamter. Vgl. Min. Zirk. v. 12. März 1839, Ges. v. 5. Mai 1869.
Die Dienftanweisung ist in dem Min. Zirk. v. 3. Aug. 1869 (Bull. de IInt. 1869 S. 451 f.) enthalten.
1½ ülber die Zuständigkeit bei Findelkindern vgl. Els. I. Z. 25 S. 459; 26 S. 42, 453.
18 über das Beschwerderecht des Verwaltungsrats 6 57 Nr. 9 F.G., W ch S. 961 N. 30.
Agl. sferner Molitor-Stieve zu §§5 136 —139 A.G. B
1. Die inneren Kosten werden alle fünf Jahre auf Vorschla des Verwaltungsrates der Pflege-
anstalt und des Gutachtens des Bezirkstags von dem Bezirksprä Asidenten festgesetzt. Art. 5 Ges. v.
1869. Bezüglich der äußeren Kosten stellt der Bezirkspräsident im Einverständnis mit dem Bezirks-
tage den Tarif der Uflegekasten auf. Deir. v. 13. April, 861 A Nr. 23, Ges. v. 18. Juli 1866
Art. 1 r. 16, Ges. v. 5. Mai 1867 Art 5 Art. 4. 6 Ges. v. 1869.
über das geseftiche Erbrecht “ Furus eim 1 Falle des Ablebens des Pfleglings. Vygl.
Kisch S. 964 f.; Moli orStite zu *1 16
17 Val. Caf at. 7. Juli 1884 D.
18 Ord. v. 1323 Art. 6 Nr. 5 . — v. 5. Mai 1869 Art. 5 Nr. 1 u. 2.
½ Art. 5 Kc 5 902. v. 1869.