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8 14.
In Strafsachen findet vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz in Bezug auf die Zu-
ziehung der Beisitzer die Vorschrift des 8 30 des Gerichtsverfassungsgesetzes mit der oben im
§ 7, Absatz 1, bezeichneten Maßgabe Anwendung. Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt
das Gericht, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.
Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nichl statt.
Der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte hat Anspruch auf Anwesenheit in der
Haupliverhandlung, wenn er sich am Orte des Bernfungsgerichts befindet.
In den im § 13, Absaz 1, bezeichneten Sachen ist die Vertheidigung auch in der
Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist die Amvesenheit des Vertheidigers
erforderlich; der § 115 der Strasprozeßordnung findet Anwendung.
Im llebrigen verbleibt es bei den Vorschriften im § 40 des Gesetzes über die Konsular=
gerichtsbarteit.
15.
Die Tudesstrafe ist durch Erschießen oder Erhängen zu vollstrecken.
Der Gonverneur bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten in dem einzelnen Falle
siattzufinden hat.
§ 16.
In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden das Gerichts-
kostengeseg und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für Zeugen und Sachverständige,
sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung.
Die Vorschriften, welche an Stelle der bezeichneten Gesetze zu treten haben, werden
von dem Reichskanzler erlassen.
§ 7.
Die nach § 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete,
für die Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen einschließlich des Bergwerkseigenthums maß-
gebenden Vorschriften sinden keine Amwendung.
Der Reichskanzler und mit dessen Genehmigung der Gouverneur sind bis auf Weiteres
zur Regelung dieser Verhältnisse besugt, die erforderlichen Bestimmungen zu treffen und ins-
besondere die Voraussetzungen für den Erwerb und die dingliche Belastung von Grumdstücken
durch NRechtsgeschäfte mit den Eingeborenen festzustellen.
* 18.
Das Gesetz, betreffend die Cheschließung und die Beurlundung des Personenstandes
von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 (Bundes-Gesetzblatt S. 599) findet in
dem Schutzgebrete vom 1. Jannar 1891 ab auf Personen, welche nicht Eingeborene (§ 3) sind,
Anwendung.
819.
Bis zur Uebernahme der Verwaltung durch den Gonverneur werden die dem letteren
auf Grund dieser Verordnung zustehenden Befugnisse von dem Reichskommissar wahrgenommen.
* 20.
Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrist und beigedrucktem Kaiser-
lichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 1. Jannar 1891.
(L. S.) Wilhelm.
v. Caprivi.