Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Nauhaus und nur wenig Leuten (Schwarzen) hat 
er einen Besuch bei dem übel berüchtiglen Merere 
gemacht. In Gefahr ist dabei freilich die kleine 
Schaar gewesen. Es hat aber das Ende dieses Be- 
suches gezeigt, daß man auch bei wirklicher Gefahr 
noch ohne Blutvergießen auskommen kann, wenn 
man die nöthige Vorsicht und Geduld und vor allen 
Dingen den nöthigen guten Willen hat. Daß durch 
Merenskys vorsichtiges Verhalten das Ansehen der 
Weißen nicht nur nicht gelitten hat, sondern im 
Gegentheil vertieft und vergrößert worden ist, beweist 
der Umstand, daß, woran ja vorher lein Mensch auch 
nur im Entferntesten denken konnte, Merere und sein 
Volk die Gründung einer Missionsstation in ihrer 
Mitte wünschen. 
Auch auf den Bericht des Grafen Götzen vom 
29. März d. Is. berufen wir uns, der in letzter Zeit 
durch die Blätter gegangen ist, in dem es heißt: 
»Ich bin sonst durch mein Prinzip, überall die ge- 
forderten Lebensmittel zu bezahlen, stets friedlich 
durchgekommen.# Und das schreibt er unweit des 
Victoria-Nyansa. 
Es läßt sich daher an der Möglichkeit, die Privat- 
expeditionen friedlich auszuführen, durchaus nicht 
zweifeln. Der Grund aber, daß ihre Spuren troh= 
dem mit Blut gekennzeichnet sind, ist nach der 
Aeußerung des Grafen Götzen nicht schwer zu finden. 
Er liegt eben darin, daß nicht mit peinlicher Sorg- 
falt darauf gehalten ist und wird, daß alle Lebens- 
mitlel, die man braucht, bezahlt werden. Es hat 
früher auch der Umstand dazu beigetragen, daß die 
Expeditionsführer sich geweigert haben, den Häupt- 
lingen den Hongo (Durchgangszoll) zu bezahlen, den 
sie nach altem Herkommen von den durchziehenden 
Karawanen erhoben und beitrieben. Nun, daß die 
Regierungsexpeditionen den Hongo nicht bezahlten, 
sondern sogar dafür sorgten, daß das Hinderniß des 
Handelsverkehrs abgeschafft wurde, ist selbstverständlich 
und durchaus anzuerkennen. Woher aber in aller 
Welt haben die Privatexpeditionen das Rechl und 
die Aufgabe, sich in Dinge zu mischen, welche Sache 
der Regierung sind? Es ist keine irrthümliche An- 
nahme, daß diese beiden Unzuträglichkeiten, einmal 
das Unterlassen der Bezahlung der requirirten Nah- 
rungsmittel, zum Anderen das Verweigern des Hongo, 
den Grund gelegt haben dafür, daß, wo nur eine 
Karawane sich niederläßt, der Kriegszustand als der 
von selbst gegebenc angesehen wird, der erst durch 
Verhandlungen beseitigt werden muß. Dabei wollen 
wir ausdrücklich bemerken, daß das Gastgeschenl, 
welches der Häuptling dem durchreisenden Expeditions- 
führer zur Begrüßung sendet, durchaus kein reines 
Geschenk ist. Vielmehr rechnet der Häuptling be- 
stimmt darauf, daß ihm ein Gegengeschenk von min- 
destens demselben Werthe gegeben wird. Diese 
Höflichkeit ist nichts weiter als ein Tauschgeschäft. 
Wir verlangen daher, daß jede Privatexpedition 
unter die Aussicht der Regierung gestellt wird. Der 
Gouverneur bezw. Landeshauptmann muß die aus- 
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drückliche Erlaubniß zur Ausrüstung und zum Ab- 
marsch der Expedition geben. Er wird sich auch 
den Führer besonders daraufhin ansehen, ob er ihm 
die Gewähr zu bieten scheint, daß er mit den Ein- 
geborenen wie mit Menschen umgehen wird, die 
unker dem Schute des deutschen Kaisers stehen, ob 
er ein sittlicher Charakter und ob er daher zur 
Führung der Expedition geeignet ist. 
Des Weiteren muß der Führer die Zahl aller 
seiner Leute angeben und danach eine Berechnung 
einreichen über den voraussichtlichen Verbrauch von 
Nahrungsmitteln, die er von den Eingeborenen wird 
kaufen müssen. Er ist auch gehalten, nachzuweisen, 
daß er so viel Tauschwaaren mit sich führt, als zum 
Einkauf des Lebensunterhaltes nöthig sind. Diesen 
hat er aber nicht seinen Leuten zu überlassen; er 
selber hat dafür Sorge zu tragen und wird dadurch 
die Möglichkeit haben, alle Uebergriffe seiner Leute 
zu bestrasen und dafür einzustehen. Während seines 
Marsches muß er dann genau Buch führen über den 
Verbrauch seiner Tauschmittel. Insonderheit muß er 
genau angeben, was er von den einzelnen Häupt- 
lingen als Gastgeschenk erhalten und womit er es 
erwidert hat. 
Wir halten es für sehr erwünscht, daß auf jeder 
Regierungsstation ein Buch angelegt wird, in dem 
die Erfahrungen jedes Reisenden, der des Weges 
kommt, niedergelegt werden, die er mit den einzelnen 
Häuptlingen und Dörfern, die er passirt hat, gemacht 
hat. Dieses Buch müßte für jeden Reisenden nicht 
nur offen liegen, sondern sie alle müßten sogar ver- 
pflichtet werden, genaue Kenntniß von dem Inhalt 
desselben zu nehmen. Der Vortheil dieser unschwer 
zu treffenden Maßnahme liegt auf der Hand. Ein- 
mal verbleibt die Privatexpedition unter der Kon- 
trole der Regierung. Sie sleht also nicht in so 
großer Gefahr, ihre friedliche Aufgabe zu vergessen 
und in kriegerische Händel sich zu verwickeln. Zum 
Anderen aber wird durch die Einrichtung eines 
solchen Beobachtungsbuches die Karawanenstraße fesl- 
gelegt. Jeder, der sie passirt, kann sich auf eine 
gute Strecke Weges hinaus vergewissern, welche 
Häuptlinge er treffen, welche Dörfer er berühren 
und wie an den einzelnen Stellen seine Aufnahme 
sein wird. Sind in einem Orte fünfmal Expeditionen 
freundlich aufgenommen, dagegen das sechste Mal nicht, 
so ist ja 5 gegen 1 zu welten, daß die Schuld nicht 
bei den Eingeborenen liegt. Und finden sich Beob- 
achtungen, daß man einzelnen Häuptlingen oder 
Dörsern nicht trauen darf, so kann der Expeditions- 
führer unter Berathung seitens des Stationschefs 
von vornherein Vorkehrungen treffen, welche ein 
blutiges Zusammentressen ausschließen. 
Die Berichte der Expedition, die auf den Statio- 
nen abgegeben werden, müstten natürlich an den 
Höchstkommandirenden weiter gegeben werden, damit 
er über dieselben stets auf dem Laufenden bleibt. 
Es kommt eben darauf an, daß die Expedition 
wirklich unter seiner Aufsicht ausgeführt wird und
	        
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