Beilage zum „Deutschen Kkolonialblatt“, XII. Jahrgang, Nr. 24.
Berlin, den 15. Dezember 1901.
Ein Versuch
2U-r
Immunisirung von Rindern gegen Isetsekrankheit (Surra).
Von R. Koch.
irfÜlmw
Während meines Auflenthaltes in Deutsch-
Ostafrika im Jahre 1897 hatte ich wiederholt
Gelegenheit, Untersuchungen über die daselbst
vorkommende Tsetsekrankheit (Surra) anzu-
stellen 7) und mich von der Richtigkeit der
Angaben von Bruce und Lingard zu über-
zeugen, dass diese Krankheit auf die meisten
Iausthiere verimpft werden kann und fast
musnahmslos tödlich verlänft. Bei Rindern
kann sie sich oft sehr in die Länge ziehen.
Die charakteristischen Parasiten, die Trypa-
nosomen, verschwinden auf längere oder kürzere
Zeit aus dem Blute, und man könunte sich der
Hoffnung hingeben, dass die Krankheit beendet
sei. Dies ist aber nicht der Fall, denn die
Parasiten treten immer wieder von Neuem im
Blute auf, und die Thiere erliegen der Krank-
heit nach schwerem Siecchthum oft erst inner-
halb eines halben bis ganzen Jahres.
Ich habe damals unter anderen Experi-
menten auch Versuche angestellt, um eine
Schutzimpfung gegen diese mörderische Krank-
heit aufzufinden, undgelangte an einigen Thieren
zu einem positiven Resultat. Da aber, wie er-
wähnt, gerade bei Rindern die Krankheit von
s30 sehr langer Dauer sein kann, so liess sich
über den endgültigen Erfolg dieses Versuches
bicht früher als nach mindestens einem Jahre
oder besser nach Ablauf mehrerer Jahre ur-
tbeilen. Aus diesem Grunde habe ich es unter-
lassen, über diesen Versuch eher zu berichten,
glaube aber nicht länger damit z2ögern zu
) R. Koch. Reiseberichte über Rinderpest u.s. w.
Berlin 1898. S. 65.
sollen, um so mehr, als alle bisher auf das-
Selbe Ziel gerichteten Bestrebungen vergeblich
gewesen sind.
Unter den verschiedenen Wegen, welche
zu einer Schutzimpfung führen können, habe
ich denjenigen der Umzüchtung des Krank-
heitsstofles zu einem Schutzimpfstoff durch
Thierpassage gewählt. Man verfährt zu diesem
Zwecke in der Weise, dass man den Krank-
heitsstofl, in diesem Falle die Trypanosomen,
ein oder mehrere Male aufl empfüngliche Tbiere
verimpft und sie schliesslich auf diejenige
Thierart, von welcher ausgegangen wurde,
Zzurückimpft. Wenn der Versuch gelingt, dann
sind die Parasiten durch den Einfluss des
fremden Thierkörpers in ihrer Virulenz abge-
schwächt und erzeugen nun nicht mehr eine
tödliche, sondern eine leicht verlaufende
Krankheit, welche dann einen mehr oder we-
niger lange Zeit andauernden Schutz zurück-
lässt. Die bekanntesten Beispiele dieser Art
sind die Schutzimpfungen gegen Pocken und
gegen Hundswuth. Bei den Pocken wird der
Krankheitsstoff vom Menschen auf das Rind
übertragen, er wird im Körper desselben ab-
geschwächt und dient dann bekanntlich als
Vaccine zur wirksamen Schutzimpfung gegen
die Sso gefährliche Krankheit. Bei der Hunds-
wuth geschieht die Uebertragung des Wuth-
giftes vom Hund auf das Kaninchen. In diesem
Thiere schwächt sich duas Gilt nach mehr-
maliger Weiterimpfung (assage) so weit ab,
dass es nunmehr zur Schutzimpfung beim
Aenschen verwendet werden kann.