Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

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„1. Bei fast allen Negerkindern kommen schon sehr wesentlich einwirkt, wie in Kamerun gezeigt 
in der frühesten Jugend zahlreiche Malariaparasiten 
im Blute vor, ohne daß ihr Allgemeinbefinden ge- 
stört oder die Körpertemperatur erhöht wäre; vielfach 
selbst, ohne daß jemals Fieberbewegungen voraus- 
gegangen sind. 
2. Eine Milzvergrößerung ist dann meist vor- 
handen, kann aber auch fehlen. 
3. Die Immunität gegenüber den Schädigungen 
durch die Entwickelung des Malariaparasiten ist also 
in vielen Fällen eine angeborene. 
4. Auch etwa die Hälfte der erwachsenen Neger 
führt noch den Malariaparasiten, ohne daß er die 
gewöhnlichen Krankheitserscheinungen hervorruft. 
5. Auch die erwachsenen Neger zeigen Milz- 
tumoren, zum Theil von außerordentlicher Größe, 
und zwar zu 62 pCt. Ebenso häufig findet sich 
Anämie bei ihnen. 
6. Der erwachsene Neger leidet also ebenso viel 
oder wenig unter der Malaria als das Negerkind. 
7. Die Pathogenese des Fieberanfalls bei den 
Negern bedingt, daß bei zweifellosen Malariafiebern 
die Parasiten im peripheren wie im Milzblut sehr 
häufig fehlen (in zwei Dritteln der Fälle). 
8. Das Vorhandensein oder Fehlen von Parasiten 
im Blut ist deshalb beim westafrikanischen Küsten- 
neger für die Diagnose einer Gesundheitsstörung 
nicht zu verwerthen. 
9. Die Voraussetzungen für Ausrottung der 
Malaria durch Unterbrechen des Entwickelungskreis- 
laufs ihres Erregers im Menschen entbehren dem- 
nach ihrer Grundlage. — Nicht nur „Kranke" führen 
Parasiten, sondern eine ganz ungeheure Menge von 
Kindern und Erwachsenen, die sich dabei des denkbar 
besten Wohlseins erfreuen und jeden „heilenden“ 
Eingriff ablehnen würden. 
Erfolg könnte also nur von zwangsweiser Durch- 
führung allgemeinen Chiningebrauchs bei der ganzen 
Bevölkerung einer Malariagegend erwartet werden, 
die selbstverständlich absolut unmöglich ist. 
10. Wenn andererseits anerkannt wird, daß ein 
Schutz des Individuums durch Verwahren der 
Wohnräume mit Drahtgittern und Gebrauch von 
Mückenschleiern, Handschuhen 2c. sich mindestens in 
tropischen Gegenden, welche der Kultur eben erst 
erschlossen sind, auf Reisen und Expeditionen kaum 
lemals in wirksamer Weise und in genügendem Um- 
sang wird durchführen lassen, während eine Ver- 
tilgung der Mücken in größeren Landstrichen erst 
recht ausgeschlossen erscheint, so wird man die Hoff- 
nung aufgeben müssen, den gesundheitlichen Charakter 
einer Gegend mit diesen Mitteln schneller und wirk- 
samer auf die Dauer zu verbessern, als es seither 
durch Drainage, Bodenkultur, zweckmäßige Woh- 
nungen 2c. überall geschah. 
Für den persönlichen Schutz des Individuums 
bleibt uns demnach allein die Immunisirung durch 
systematische Chininprophylaxe, deren ausgedehnte 
Anwendung auch auf die Gesammterkrankungsziffer 
  
werden konnte. 
11. Eine strenge Sonderung der Malariaparasiten 
in drei oder vier konstante Arten läßt sich nicht auf- 
recht erhalten. Es handelt sich vielmehr um drei, 
bezw. vier typische, mehr oder weniger beständige 
Formen, die derselbe Parasit je nach den besonderen 
Verhältnissen annimmt, unter welchen er sich ent- 
wickelt, und die in einander übergehen können. Diese 
Formen werden durch das verschiedene Maß be- 
dingt, in welchem sich einerseits die Vakuole, anderer- 
seits Kern und Plasma an der Größenzunahme des 
Parasiten bei seiner Entwickelung betheiligen.“ 
Dr. A. Plehn tritt damit erneut für die Chinin= 
prophylaxe ein, deren hervorragende Bedeutung immer 
mehr anerkannt wird. Nach Plehn') erwirbt der 
Europäer durch systematischen Chiningebrauch — in 
Kamerun nach Plehn jeden fünften Tag ½° g — 
eine relative Immunität gegen Malaria. Die ge- 
sammte Erkrankungsziffer der so Immunisirten sinkt 
nach seiner Erfahrung unter die Hälfte, die Zahl 
der ernsteren Erkrankungen auf weniger als ein 
Viertel der sonft beobachteten. Wird Chinin von 
der Ankunft am Fieberherd ab regelmäßig genommen, 
so soll sich dieses Verhältniß noch günstiger gestalten. 
Schwere, lebensgefährliche Erkrankungen und Kom- 
plikationen sollen nach längerer gewissenhafter Durch- 
führung der Prophylaxe nur außerordentlich selten 
vorkommen. 
Roloniallrankenbaus in LCißabon. 
Durch Gesetz vom 24. April d. Is. ist die Ein- 
richtung eines Kolonialkrankenhauses in Lissabon be- 
stimmt worden, das zur Behandlung der aus den 
portugiesischen Kolonien zurückkehrenden Beamten, 
Offiziere und Soldaten dienen soll. Im Zusammen- 
hange mit dem Krankenhause soll zur Ausbildung 
der Kolonial= und Marineärzte theoretischer und 
praktischer Unterricht in der Tropenkrankheitskunde 
stattfinden, wofür Lehrstühle für Pathologie und 
Klinik, für Hygiene und Klimalehre und für Bakte- 
riologie und Parasitenkunde errichtet werden. 
  
Moskitos auf Schiffen. 
Ueber Malariaerkrankungen, die unter einer mit 
dem Lande nicht in Berührung gelommenen Schiffs- 
besatzung beobachtet wurden, schreibt der deutsche 
Arzt Dr. Friedrichsen in Sansibar: 
Wie weit Moskitos über Wasser fliegen können, 
zumal wenn von Land her Wind weht, zeigen die 
von mir im März beobachteten Malariafälle, welche 
auf der Bark „Marco Polo“ vorkamen. Vier Mann 
der 24 Personen betragenden Besatzung erkrankten 
ziemlich schwer an Malaria, obwohl die Mannschaft 
nicht an Land kam. Der Kapitän theilte mir mit, 
6 *) Vergl. Deutsches Kolonialblatt 1901, S. 287.
	        
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