G 114 20
greifenden Mähnenlöwen auf knapp fünf Schritt
die Kugel geben konnte, als er den neben mir
stehenden Askari niedergeschlagen hatte und auf
ihm lag. Der Askari, ein Massai, kam zwar
davon, doch hatte sein linker Arm so heftige
Bißwunden davongetragen, und auch sonst hatten
die Krallen des Löwen seinen Körper so tief
gepackt, daß er tagelang an Wundfieber litt und
zur Hauptkarawane gesandt werden mußte. Zwei
Tage darauf wurde von Dr. Schubotz ein Rudel
von sechs Löwen gesichtet und bis in ein dichtes
Buschwerk in einer Talschlucht verfolgt. Obgleich
die Raubtiere ihn teilweise in dem sehr hohen
Grase bis unmittelbar heranließen, ehe sie mit
elnem grollenden Tone flüchtig wurden, um dann
bies Spiel aufs neue zu wiederholen, war doch
ein guter Schuß des Grases wegen nicht möglich.
Als mit einem Aufgebot von fünfzig Trägern
dieses Buschwerk am Nachmittag durchgetrieben
wurde, gelang es mir, zwei Löwen zu erlegen,
während zwei krankgeschossene leider noch ent-
kamen; Leutnant Wintjens schoß ebenfalls ein
starkes weibliches Exemplar. Einen ganz kapi-
talen, alten schwarzgemähnten Löwen konnte ich
dann noch zur Strecke bringen, als ich, in der
Nacht dem Gebrüll nachgehend, ihn im ersten
Morgengrauen am geschlagenen Wilde überraschte.
Das häufige Vorkommen dieser Tiergattung, und
zwar in zwei völlig verschiedenen Arten, einer
langhaarigen hellen, schlechtgemähnten, und einer
kurzhaarigen, dunkleren, sehr stark gemähnten, ist
insofern hier von Interesse, als von fachmännischer
Seite dies stark bezweifelt oder als höchst un-
wahrscheinlich bezeichnet worden ist.
Die Aufrechterhaltung der Verbindungen in
diesen völlig unbewohnten und unbekannten Ge-
bieten bot nicht geringe Schwierigkeiten. Die
Eingeborenen gaben öfter völlig widersprechende
und erlogene Berichte, so daß die Askari, die
mit der Beförderung der Briefe beauftragt waren,
schweren Stand hatten, die Richtung fälschlich
änderten, die Einzelkarawanen verfehlten und
daher Konfusionen unangenehmer Art verursachten.
Während in der ersten Zeit Lichtsignale in Form
von Leuchtraketen gewechselt werden konnten,
mußte dieses Hilfsmittel bald der Unübersichtlich-
keit des Geländes wegen (wellenförmiges Terrain
mit nach Süden dichter werdendem Buschbestand)
eingestellt werden. So blieben wir oft längere
Zeit ohne Nachricht voneinander.
Leutnant Wintjens, Dr. Schubotz und ich
marschierten am 14. Juli auf Umwegen durch
die Steppe wieder nach Südwesten an den Lu-
bogora, der hier den Namen Lulenge führt,
zurück, um dann das Lager weiter südlich an den
Runoni zu verlegen, wo überall durch reichliche
Geschenke Beziehungen mit den Mtuales Ost-
Ruandas angeknüpft wurden. Denn hier traten
uns schon die vornehmen, fast zwei Meter hohen
Gestalten der Watussi entgegen, die, zur Be-
grüßung kommend oder Verpflegung bringend,
im Lager erschienen, sich hier den neuen Ein-
drücken mit unverhohlenem, schlecht verborgenem
Erstaunen hingaben, und dann, alle eng anein-
andergedrückt, den Speer aufrecht gestellt, in
hockender Stellung in die Europäerzelte hinein-
starrten.
Hier treunte sich Dr. Schubotz von uns und
marschierte direkt an das Westende des Mohasi,
um dort der noch unerforschten Sumpf= und
Wasserfaung, dem Plankton und der Tiefsee eine
zeitlang seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Wintiens und ich erreichten am 28. das
Ostende des Mohasi, zu unserer Überraschung
einen Tag früher, als erwartet. Leutnant v.
Wiese hatte hier schon seit längerer Zeit sein
Standlager dazu benutzt, um interessante ethno-
graphische Sammlungen anzulegen und Beob-
achtungen zu machen. So wurde eine größere
Anzahl Amulette gesammelt und eine Liste aller
hier vorkommenden Tätowierungen angelegt, die
wertvolle neue Aufschlüsse bringen wird.
Die meteorologischen Aufzeichnungen ergaben
am Ostende der Mohasi recht geringe Tempe-
raturunterschiede. Die Messungen ergaben als
Durchschnitt folgende Ablesungen: Früh 6 Uhr:
17,5 Grad Celsius, nachmittags 2 Uhr: 25,5 Grad
Celsius, abends 9 Uhr: 19,5 Grad Celsius. Die
Windstärke ist ebenfalls nur unerheblichen Schwan-
kungen unterworfen und hat als Durchschnitt, zu
denselben Zeiten gemessen, ergeben: Früh 6 Uhr:
Stärke 2, nachmittags 2 Uhr: Stärke 3, abends
9 Uhr: Stärke 2—3, während nur einmal Wind-
stärke 5 registriert werden konnte.
Am Kiwu-See.
27. August.
24 Kanus, Einbäume mit vorne weggeschnit-
tenem Bug und etwas eingezogenem Heck, er-
warteten uns in Buyonde, als wir mit der
Karawane den letzten Steilabfall zur Mecklenburg-
Bucht des Kiwu-Sees (von Dr. Kandt so genannt)
hinabkletterten. Die Boote waren ans Ischangi
am Südende des Sees und Kissenyi, unserem
Zielpunkte am Nordende, hierherbestellt. Von
Dr. Schubotz und Mildbread, dem Zoologen und
Botaniker, hatten wir uns bei dem Sultan
Msinga getrennt, da diese beiden Herren eine
Entdeckungstour in die Urwaldgebiete zwischen
der Hauptstadt Niansa dieses Herrschers und
dem Südende des Sees zu unternehmen beabsich-
tigten, während Dr. Czekanowski sein reichhaltiges
ethnographisches Material durch die Unterstützung
der Mission noch zu vervollständigen gedachte.