Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Von den Bewohnern auf Gilan wurden die 
durch die lange Irrfahrt naturgemäß aufs äußerste 
erschöpften Leute gastlich aufgenommen und be- 
wirtet. Auch an Tabak, Wein und sonstigen Ge- 
nüssen fehlte es nicht; sogar eine phonographische 
Unterhaltung wurde für sie arrangiert. Dank 
der guten Pflege erholten sich denn auch vier der 
Leute wieder, während zwei von ihnen schließlich 
den erlittenen Entbehrungen doch noch erlagen. 
Die vier Überlebenden wurden, nachdem fest- 
gestellt worden war, daß sie nach den Westkaro- 
linen gehörten, von den Behörden in Formosa 
dem deutschen Konsul in Twatutia übergeben. 
Zuvor hatte der Generalgouverneur von Formosa 
die Leute noch in sein Palais eingeladen, sie fest- 
1h bewirtet und jedem ein Andenken überreichen 
assen. 
Der Konsul ließ die Leute noch einige Wochen 
im Konsulat unterbringen und ihnen weiter ärzt- 
liche Hilfe angedeihen, bis sie wieder ganz her- 
gestellt waren; schließlich sandte er sie dann über 
Hongkong in ihre Heimat zurück. 
Ende Januar d. Is., also nach zehnmonat- 
licher Abwesenheit, langten die Leute in Jap an, 
wo sie ihr Schicksal erzählten und des Lobes über 
die ihnen zuteil gewordene Behandlung in For- 
mosa voll waren. Der Bezirksamtmann wird 
die Leute nunmehr gelegentlich nach ihrer Insel 
zurückbefördern. 
Den japanischen Behörden ließ das Bezirks- 
amt durch Ersuchen des deutschen Konsuls in 
Twatutia für die hochherzige Aufnahme der ver- 
schlagenen Insulaner den Dank der Schutzgebiets- 
verwaltung übermitteln. 
Die deutsche Marine-Sxpebition 1907/09.-) 
Vierter Bericht. 
Muliama, Mitte Februar 1908. 
Die letzten Wochen waren ausschließlich der 
ethnographischen Erforschung der Landschaft Mu- 
liama gewidmet. Dr. Schlaginhaufen, der sich 
außer anth vorwiegend 
mit der materiellen Kultur beschäftigte, fand, daß 
die Bewohner in einer Übergangsstufe zwischen 
Nomadentum und Seößhaftigkeit leben. Die Sied- 
lungen sind bei ihrer geringen Größe und der 
primitiven Anlage noch sehr beweglich. Es ließ 
sich nachweisen, daß mehrere Orte, von denen 
nur die Namen und die Kokospalmen übrig ge- 
blieben sind, erst in dieser oder der vorhergehenden 
Generation ausgegeben worden sind. Jede Familie 
*) Aus der „Marine-Rundschau“ 1908, Zuniweft= 
Agl. auch „Deutsches Kolonialblatt“ 1908. S. 183f 
291 ffl. und 179 f. 
  
besitzt neben der Wohnstätte gewöhnlich noch eine 
Kochhütte und eine kleine, auf Pfählen gebaute 
Scheuer. In jedem Dorfe steht wenigstens ein 
Männerhaus, wo die Junggesellen und Witwer 
schlafen und Durchreisende Unterkunft finden. 
Seit durch die Regierung der Landfriede gesichert 
ist, verkehren die Stämme ziemlich lebhaft unter- 
einander. Der eine will ein Schwein verhandeln, 
der zweite einen aus seiner Heiratsippe besuchen, 
der dritte einem Feste und dem stets damit ver- 
bundenen Festessen beiwohnen, ein vierter hat 
nichts weiter vor, als eine Vergnügungsreise zu 
machen. Dieser Verkehr spielt sich auf dem Wege 
ab, der auf der Ostküste vom äußersten Süden 
bis zum Nordende der Insel auf Veranlassung 
der Regierung durch die Eingeborenen selbst an- 
gelegt worden ist. Tüchtige Seefahrer kann man 
die Bewohner von Muliama nicht mehr nennen, 
obwohl sie noch Plankenboote bauen und be- 
nutzen. Von Einbäumen mit Auslegern wurden 
nur einige Modelle gefertigt. Gegenwärtig ist 
kein solches Boot in Gebrauch, weil früher einige 
Leute in der meist starken Brandung damit ge- 
kentert sind. 
Von Muschelgeld wurden sieben Arten ge- 
funden, die alle auch als Schmuck verwendet 
werden, hauptsächlich als Ohrgehänge und als 
Halsketten. Früher trugen die Weiber kostbare 
Lendengürtel aus mehreren Muschelgeldschnüren, 
die durch Schildpattspangen zusammengehalten 
wurden. Jetzt sind sie durch europäische Perlen 
verdrängt. 
Gejagt werden eigentlich nur Schweine, die 
entweder mit langen Netzen gefangen oder mit 
Hunden gehetzt und mit Holzspeeren erlegt werden. 
Fische werden gewöhnlich nachts bei Fackel- 
beleuchtung mit einem mehrspitzigen Fischspeer ge- 
spießt, aber auch mit Netzen gefangen. 
Die Hauptbeschäftigung bildet der Ackerbau. 
In dem der Gemeinde gehörenden Busch klärt 
sich ein Mann eine Stelle, umzäunt und bepflanzt 
sie und erwirbt damit das Besitzrecht auf das, 
was er erbaut. Nach der Ernte, das heißt etwa 
nach einem Jahre, wird das Feld aufgegeben 
und ein neues angelegt. Das alte verwildert 
rasch. Zum Fällen der Bäume gebrauchen die 
Männer jetzt eiserne Werkzeuge; die Weiber säubern 
den Boden mit den Händen oder mit trockenen 
Kokosschalen. Die Männer lockern dann den 
Boden mit Holzstöcken und legen in die Löcher 
die Stecklinge von Yam, Taro oder Süßkartoffeln. 
Die Biehzucht beschränkt sich darauf, daß einige 
Leute Schweine und ganz vereinzelte auch Hühner 
halten. 
Da die Töpferei unbekannt ist und Töpfe auch 
nicht eingeführt werden, röstet man Erdfrüchte 
und Fleisch, und zwar ohne Salz oder Seewasser,
	        
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