Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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satz zu den auf andere Weise gefundenen Tränk- 
stellen, welche weniger günstig ausgefallen sind, 
sehr gute. Unter der großen Anzahl von 
Bohrungen hat sich auch nicht eine einzige 
Fehlbohrung ergeben, d. h. jede niedergebrachte 
Bohrung hat nicht nur Wasser, sondern auch 
Wasser in einer für den Biehzuchtbetrieb hin- 
reichenden Menge und der notwendigen Quali- 
tät erbracht. Das stimmt vollständig überein mit 
den Erfahrungen in Britisch-Südafrika. Wie 
bestimmt man dort mit dem Auffinden von Wasser 
rechnet, möge daran illustriert werden, daß sich in 
der Kapkolonie kapitalkräftige Unternehmer finden, 
die auf eigene Gefahr und Kosten Bohrungen 
vornehmen; als Gegenleistung lassen sie sich ledig- 
lich einen Teil des nutzbar gewordenen Areals 
zu einem billigen Vorzugspreise an die Hand 
geben. Diese Erfahrungen haben natürlich sehr 
ermutigt. 
Man hat in der Heimat und im Schutzgebiet 
vielfach über den langsamen Fortschritt der wirt- 
schaftlichen Entwicklung geklagt. Aber die Ge- 
rechtigteit gebietet doch, festzustellen, daß die Basis 
für eine wirtschaftliche Entwicklung erst seit sehr 
kurzer Zeit überhaupt besteht. Wenn man bedenkt, 
daß das Schutzgebiet, seitdem es im Beginn der 
90er Jahre — seit jetzt etwa 15 Jahren — 
in deutsche Verwaltung genommen ist, beständig 
durch Kriegszüge und Aufstände erschüttert wurde, 
wenn bis zu dem Herero= und Nama-Aufstand der 
Jahre 1901—1906 mindestens ein Dutzend größere 
oder kleinere Kriegszüge haben durchgeführt werden 
müssen, wenn man weiter in Rechnung zieht, daß 
die Ansiedler sich zum großen Teil zunächst aus 
Buren und Schutztruppen-Angehörigen zusammen- 
gesetzt haben, welche ohne erhebliche Kapitalien 
waren, die letzteren meistens nur ausgestattet mit 
dem bei der Truppe Ersparten und der An- 
siodlungsbeihilfe, wenn man schließlich berück- 
sichtigt, daß in einem solchen neuen Lande die 
notwendigen Erfahrungen nicht von einem Tage 
auf den andern gesammelt werden können, dann 
wird man sagen müssen, daß hochgespannte 
Erwartungen nicht haben gehegt werden dürfen, 
umsoweniger, als die im letzten Aufstand er- 
littenen Verluste nur einem Teil der Siedler und 
auch denen nur bis zu ersetzt worden sind. 
Das wird man sich vor Augen halten müssen 
bei der Bemessung derjeuigen Fortschritte, die 
inzwischen gemacht wurden. 
Auch sonst waren in den verflossenen 15 Jahren 
die Zustände einer rationellen Wieirtschafts- 
oentwicklung keineswegs günstig. Das mangelnde 
Kapital veranlaßte den Ansiedler — ich spreche 
hier zunächst vom Süden —, dasjenige zu ziehen, 
was den schnellsten Erfolg versprach. Nun hat 
Südafrika in dieser Zeit den großen, nahezu vier 
  
Jahre dauernden englisch-burischen Krieg gesehen 
und bald darauf schloß sich an denselben der 
Aufstand in Südwestafrika an. Beide Ereignisse 
führten Soldaten und Troß in großen Massen 
ins Land. Es entstand ein erheblicher Konsum 
von Schlachtvieh. Dabei kam die VBiehzucht 
sowohl in Transvaal als auch in Teilen der 
Kapkolonie durch die kriegerischen Ereignisse zum 
Stillstand, ja zum Teil zur Vernichtung. Es 
lag daher nichts näher, als zunächst Schlachtvieh, 
im Süden namentlich Ziegen, zu züchten, eine Wirt- 
schaftsart, die sich auch deshalb empfahl, weil sie 
bei den Buren erfolgreich im Gange war. Nachdem 
aber jene unregelmäßigen Zustände aufgehört 
hatten, begann es sich zu zeigen, daß auf einen 
regelmäßigen Absatz großer Mengen dieser minder- 
wertigen Tiere nicht mehr gerechnet werden konnte. 
Anderseits liegt es doch so, daß jeder Farmer 
bei dem Mangel einer Brotfruchterzeugung im 
Lande auf den Import einer großen Menge von 
Artikeln angewiesen war. Mehl, Salz und Kaffee, 
Kleider, Wäsche, Hüte und Schuhe, Banmaterial 
und andere Bedarfsgegenstände mußten beschafft 
werden; um diese zu bezahlen, erzengte die 
Eigenwirtschaft nicht mehr die notwendigen Pro- 
dukte. Denn da die meisten dieser Dinge über 
See kamen, mußte selbstverständlich auch für ein 
Exportprodukt gesorgt werden, um die Zahlungs- 
bilanz zu erhalten. Dabei stellen unsere Lands- 
leute mit Recht erheblich größere Anforderungen 
an das Leben; sie sind nicht nur intelligenter, 
fleißiger und vorwärtsstrebender als ihre burischen 
Nachbarn, sondern auch von der Heimat her 
besseres gewöhnt, sie wollen für sich nicht einen 
Lebensunterhalt gelten lassen, bei dem ein 
Stück Brot eine Sonntagedelikatesse ist. Man 
hat deshalb schnell gesehen, daß die zuerst ein- 
geschlagene Wirtschaftsweise keinen Erfolg ver- 
sprach. Die Wirtschaft ist deshalb in einer Um- 
wandlung begriffen, indem die Fleischschafe durch 
Wollschafe ersetzt, die gewöhnlichen Ziegen mit 
Angoraziegen vertauscht werden. Aber diese Um- 
wandlung erfordert Zeit, der alte Bestand muß 
abgestoßen, größtenteils kann nur aus ihm der 
Ankauf besseren Zuchtviehs bestritten werden. 
Am dünnsten besiedelt ist der Keetmanshooper 
Bezirk. Von 110 abgesteckten Farmen sind 
nur etwa 60 bewirtschaftet. Das kommt zum 
Teil auch daher, daß sich hier der Farmbesitz 
der Sonth-African Territories befindet, den jetzt 
ein deutsches Syndikat zu erwerben versucht: 
ob mit Erfolg, habe ich noch nicht feststellen 
können. 
Je weiter man nach Norden kommt, desto 
dichter wird auch im sogenannten Südbezirk die 
Besiedlung und desto weiter vorgeschritten ist 
auch die Entwicklung. Im Gibeoner Bezirk
	        
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