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waren im Jahre 1907 von 53 Farmen 35 be-
wirtschaftet, inzwischen hat sich allerdings auch
hier eine Wandlung zum Bessern gezeigt. Im
Bezirk Maltahöhe waren sämtliche 25 Farmen
im Jahre 1907 in Bewirtschaftung, und gerade
da sind in bezug auf die Wollschafzucht die
größten Fortschritte gemacht. So ist im Bezirk
Gibeon und Maltahöhe der Fleischschafbestand
in einem Jahre von 20000 auf 48000 ge-
stiegen, im Keetmanshooper und Bethanier Bezirk
von 9000 auf 31 000, im Warmbader Bezirk
von 155 Stück auf 14 000. Die Wollschafe
sind im Gibeoner und Maltahöher Bezirk in
einem Jahre von 832 auf 4200 Stück gestiegen.
Dabei haben sich die Ziegen in dem gleichen
Bezirk von 15000 auf 27000 erhöht. Der
Angoraziegenbestand hat sich annähernd auf
gleicher Höhe gehalten. Diese Entwicklung er-
fährt eine lebhafte Unterstützung durch die im
Süden befindlichen Stammschäfereien, der süd-
afrikanischen Schäferei-Gesellschaft in Orab, des
Farmers Oberleutnant Hermann in Nomtsas und
durch die groß angelegten Farmen des Herrn
Boigts in Tsub-Garis.
Ebenso hat die Regierung durch Einfuhr von
guten Rammen aus Mitteln der Wohlfahrts-
lotterie ihre hilfreiche Hand geliehen. Der
Kapsche Stapel hat sich in den letzten Jahren
nicht verbessert, man hat anscheinend zu viel
gekreuzt. Im Schutzgebiet ist man mit Recht der
lÜberzeugung, daß eine möglichst reine und hoch-
wertige Zucht zweifellos das Beste ist, ganz be-
sonders bei der Schwierigkeit der Transportver-
hältnisse, bei welchen zunächst auch darauf zu
achten ist, daß der Wert zu dem Gewicht in
einem möglichst günstigen Verhältnis steht. Nun
scheint die Frage, welcher Schafart der Vorzug
zu geben ist, noch nicht durchaus geklärt, doch
wendet sich die Mehrzahl der Farmer der reinen
Merinozucht zu. Die deutschen Landwirte haben
gleichfalls ihr lebhaftes Interesse an dieser Frage
bekundet. Eine Besprechung, welche im Reichs-
Kolonialamt unter den namhaftesten Sachver-
ständigen stattgefunden hat, scheint jenen Entschluß
zu billigen. Auch in diesem Jahre stehen große
Importen von Kapschen Mutterschafen und
deutschen Rammen bevor.
Auch hinsichtlich der Angorazucht ist man zu
einer festen Praxis noch nicht gekommen. Der
Wunsch, schnell vorwärts zu kommen, hat zu
Kreuzungen von Angoraziegen mit glatthaarigen
Ziegen geführt, deren Abkömmlinge zwar eine
mohairartige Ware, aber von minderer Qualität und
vor allen Dingen von minderem Glanze produ-
zieren. Ich halte diese Entwicklung im Interesse der
Meltmarktfähigkeit und des Ansehens südwest-
afrikanischer Produkte nicht für günstig; man
kommt auch von der Methode jetzt zurück. Neu
eingeführt sind mehrere Herden von Karakul=
schafen, welche sich wohlbefinden und den wert-
vollen Persianerpelz liefern.
Um die Farmer über das, was auf dem
Weltmarkt vorgeht, hinreichend auf dem laufen-
den zu halten und ihnen über Preise,
Qualitäten, Angebot und Nachfrage, Ver-
schiffungsgelegenheiten und Frachten das wichtige
Material jeweils zugänglich zu machen, habe
ich die Errichtung von Landwirtschaftskammern
in Anregung gebracht. Die Anregung soll
demnächst verwirklicht und ein Anschluß an
die unter der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft
vereinigten deutschen Organisationen darf er-
wartet werden.
Mit der Vergrößerung der jährlichen Nieder-
schlagsmenge nach Nordosten fortschreitend, ändert
sich bald hinter Gibeon die Vegetation. Die
Futterkräuter der Karoo machen einer Gras= und
Strauchlandschaft Platz; erst seltener, dann häu-
figer erscheinen große Bäume; in der Nähe von
Rehoboth geht das Bild in die typische Park-
und Graslandschaft des Nordens über.
Die Rinderzucht im Süden des Schutz-
gebietes ist wegen der Vegetation weniger aus-
sichtsreich, obschon natürlich fast jeder Haushalt
sein Großvieh besitzt. Nach und nach, mehr nach
Norden hin, tritt der für die Schafzucht geeignete
Boden zurück. Vermischt sind beide Wirtschafts-
arten im Gibeoner und Maltahöher Distrikt.
Auch über die Rinderzucht ist günstiges zu
berichten. Besonders gefährliche Krankheiten
haben das Schutzgebiet im letzten Jahre ver-
schont. Wasserstellen hat der Norden überall in
ausreichender Menge, auch für eine intensivere
Bewirtschaftung. Dabei verstehen die Ein-
geborenen mit dem Vieh gut umzugehen. Die
Anzahl der Tiere hat sich in den Nordbezirken
im Jahre 1907 um 15 000 Stück vermehrt,
ohne daß hier besonders wertvolle Einfuhr zu
verzeichnen war. Aber auch bei dieser Zucht ist
die Frage, welche sich der Farmer beständig vor
Augen hält, nicht die Frage der Produktion,
sondern die Frage des Absatzes. Diesen Absatz
zu organisieren, ist die Verwaltung schon früher
bemüht gewesen, zu einer Zeit, wo noch alles
Schlachtvieh im Lande bei den Truppen Käufer
fand und Muttervieh zur Neubestockung der
Farmen dringend verlangt wurde. Die unter
Mitwirkung hervorragender deutscher Landwirte
ins Leben gerufene Deutsche Farm-Gesellschaft,
welcher die Erfahrungen der Liebig-Gesellschaft
in Uruguay und Argentinien zur Seite stehen,
und die über ein Kapital von 10 Millionen
Mark verfügt, hat sich teils vom Fiskus, teils von
der Deutschen Kolonialgesellschaft vor über Jahres-