Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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drungenen Gestalt hübsch und gut gebaut. Sie 
nehmen an allen Kriegszügen teil, verwahren 
und sammeln die Pfeile, um sie den Kämpfenden 
zuzureichen, und tragen die Verwundeten und 
Toten aus dem Getümmel. Verwundungen der 
Weiber sind daher fast ebenso häufig wie solche 
der Männer. Als Waffen führen die Zissano 
leichte Pfeile, auf deren Spitze ein scharf an- 
geschliffener, mit starkem Widerhaken versehener 
Vogelknochen befestigt ist. Trifft ein Pfeil gut, 
so fällt der Pfeil ab und der Knochen bleibt in 
der Wunde versteckt. Das Herausschneiden dieser 
Knochen ist ebenfalls Sache der Weiber und wird 
mit Bambus vorgenommen. Der Verachtung 
fällt ein Mann anheim der dabei einen Schmerzens- 
laut von sich gibt. 
In den untereinander feindlichen Dörfern 
gibt es stets einige Leute, die mit der Gegen- 
partei befreundet sind. Solche Leute sandte ich 
an die bei meiner Landung geflohenen Dorf- 
bewohner mit der Aufforderung, sie sollten die 
mir bekannten Anführer innerhalb zweier Tage 
ausliefern. An einen Erfolg glaubte ich dabei 
selbst nicht. 
Am 25. Juni brach ich in dem größeren 
Boote nach Leitere auf und landete dort am 
andern Morgen, ohne von den Eingeborenen 
bemerkt worden zu sein. Das Boot schlug halb 
voll Wasser, und wir waren außer Stande, es auf 
den steilen Strand heraufzuholen. Ich blieb beim 
Boote, das wir mit Mühe gegen die Brandung 
halten konnten, und sandte den mich begleitenden 
Händler Schultz mit der Hälfte der Soldaten 
nach dem Hause der Malaien. Meine Leute 
trafen zuerst auf zwei große Häuser am Strande, 
die sie von den Malaien verlassen fanden. Nachher 
fuhren sie mit einem Kanoe auf die Lagune und 
gelangten, abermals unbemerkt von den Ein- 
geborenen, bis an das Pfahlhaus der Wilddiebe. 
Auch dieses war verlassen. 
Eingeborenen geweckt und mir zur Hilfe nach 
dem Boot gesandt. Erst nach einigen Stunden 
war es uns gelungen, das Boot zu bergen. 
Ich erfuhr nun, daß die Malaien am selben 
Tage, als die Leitere-Kanoes der Ansiedler Saridja 
nach Eitapé begleiteten, die Flucht ergriffen hätten. 
Ein zufällig anwesender Wannimo berichtete, sie 
seien im Angriffshafen gar nicht an Land gewesen, 
sondern weiter nach Tanamera gefahren. Ich 
gab die Verfolgung als aussichtslos auf. 
Nachträglich brachten mir die Eingeborenen 
und der Häuptling von Leitere die Meldung, 
daß in Wutong (Bougainville-Bucht) ein Kanoe 
mit den Leichen von fünf aus Leitere geflohenen 
Malaien angetrieben sei. Die Leichen seien 
unverwundet, aber von der Sonne gebraten und 
aufgeborsten gewesen. Die Wutong-Leute haben 
Nun wurden die 
  
die gefundenen Gewehre und die Paradiesvögel 
dem holländischen Polizeimeister, der neuerdings 
in Tanamera stationiert ist, abgeliefert. Sie 
wußten nämlich bis dahin noch nicht, daß sie 
zum deutschen Gebiet gehören. 
Über den Verbleib der übrigen Malaien ist 
seitdem nichts bekannt geworden. 
Leitere liegt in einer nicht allzugroßen von 
steilen Bergen eingefaßten Lagune; es besteht aus 
den drei Dörfern Neipa, Morio, Agai und ist 
ein unbedeutender Platz mit ungefähr 60 Häusern, 
die auf Pfählen in die Lagune gebaut sind. Die 
Häuser sind arg verwahrlost, was sich sowohl aus 
der großen Bauschwierigkeit in dem sehr tiefen 
Wasser, als auch aus dem Mangel an jungen 
Männern erklärt. Leitere ist von der Anwerbung 
stark mitgenommen worden. Ich sah auch nur 
wenig junge Frauen und wenig Kinder, obwohl 
die Leute sehr zutraulich waren. Der Hinter- 
grund der Lagune ist dort, wo sie flach wird, 
ganz mit großen Blättern bedeckt, über die sich 
die rosaroten Blüten einer angenehm duftenden 
Wasserrose erheben. Die Lagune wimmelt von 
Krokodilen, die jedoch nach Aussage der Ein- 
geborenen den Menschen ungefährlich sind. Land- 
schaftlich ist Leitere einer der schönsten Punkte 
Neu-Guineas. Wirtschaftlich ist es — bis auf 
seine beinahe erschöpfte Bedeutung als Anwerbe- 
gebiet ziemlich wertlos. Das Hinterland soll 
stark bevölkert sein. 
Am 27. Juni früh brach ich von Leitere auf. 
Mit gutem Landwind und späterem Nord, gelang 
es, noch in der Nacht Zissano wieder zu erreichen. 
Unterwegs liefen wir Seer an. Der mich be- 
gleitende Häuptling von Arup schwamm an Land, 
da ich dem Boote die abermalige Landung nicht 
zumuten wollte. Er beruhigte die Seer-Leute, 
von denen er nur einige Wachen sah, und forderte 
sie in meinem Namen auf, ruhig in ihre Dörfer 
zurückzukehren, da ich ihnen zu ihrem Rechte 
verhelfen würde; sie selbst sollen sich jeder Rache 
an Zissano enthalten. Der Häuptling Siar von 
Arup ist ein sehr brauchbarer Mensch, zuverlässig 
und mit den Sprachen von Jakumul bis Seer 
vertraut. 
In Zissano waren die Häuptlinge und viele 
Eingeborene aus Maloll, Arup und Warapn 
anwesend. Ich benutzte einen Ruhetag zu Ver- 
handlungen mit diesen und den Zissanos. Die 
Warapus beschlossen auf mein Zureden, sich an 
der Küste westlich Arup anzusiedeln. 
Die Zerstörungen durch das Erdbeben im 
Dezember 1907 sind bedentend größer, als zuerst 
angenommen wurde. Die Küste ist von der 
Mündung der Warapu-Lagune bis Zissano ge- 
sunken. Ein mehrere Kilometer breiter mit ab- 
gestorbenen Palmen und Urwald bestandener 
 
	        
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