Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

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kräfte aufnimmt und aufzunehmen gezwungen ist, 
je stärker die Gesamtbevölkerung zunimmt und 
je weniger die Landwirtschaft in der Lage ist, 
bei ihrer natürlichen Begrenzung und Aufnahme- 
fähigkeit mit dieser Zunahme gleichen Schritt zu 
halten. Aus dieser Tatsache ergeben sich zwei 
Notwendigkeiten. Einmal zur Schaffung neuer 
Absatzgebiete für unsere Fabrikate, zweitens zur 
Erschließung neuer Rohstoffquellen für die ver- 
arbeitenden Industrien. In je stärkerem Maße 
es gelingt, diesen beiden Erfordernissen im Rahmen 
der nationalen Wirtschaftssphäre gerecht zu 
werden, umsomehr wird die deutsche Industrie vom 
Ausland unabhängig, um so sicherer kann sie sich ent- 
wickeln, um so günstiger wird die Lage der in ihr be- 
schäftigten Arbeiter. Es ist in den einzelnen 
Aufsätzen gezeigt worden, wie sich die Versorgung 
Deutschlands mit den wichtigsten kolonialen Roh- 
stoffen gegenwärtig vollzieht, welche Unzuträglich- 
keiten und Gefahren sich aus der weitgehenden 
Abhängigkeit vom Ausland ergeben, und welche 
Mittel uns unsere Schutzgebiete bieten, um eine 
Anderung in der angedenteten Richtung zu er- 
zielen. Dabei ist nicht verschwiegen worden, daß 
bisher eine tatsächliche Erleichterung unseres 
Wirtschaftslebens durch unsere Schutzgebiete nur 
in geringem Maße erfolgt ist. Es ist jedoch 
gleichzeitig der Nachweis geführt worden, daß die 
deutschen Kolonien durchweg, und zwar jede 
einzelne in ihrem besonderen Rahmen, günstige 
Aussichten bieten, sowohl Lieferungsgebiete für 
Rohstoffe als auch Absatzgebiete für Fabrikate zu 
werden. Ein Vergleich mit der Entwicklung 
einiger benachbarter Kolonialgebiete, die heute 
bereits eine hohe Blüte wirtschaftlicher Entfaltung 
erreicht haben, hat gezeigt, daß auch diese klein 
angefangen haben, und daß die bisherige Ent- 
wicklung unserer eigenen Kolonien sich nicht nur 
langsamer, sondern teilweise sogar schneller voll- 
zogen hat als die der fremden. Auch ist darauf 
hingewiesen worden, in wie starkem Maße durch- 
greifende Kolonisationsmittel, wie Eisenbahnen 
und dergleichen, in fremden Kolonien fördernd 
gewirkt haben. Aus der Tatsache, daß sie neuer- 
dings auch bei uns in erheblich größerer Aus- 
dehnung zur Anwendung gelangen, läßt sich bei 
den sonst vielfach gleichen Vorbedingungen auch 
dieselbe wirtschaftliche Wirkung erwarten. Wohin 
diese führen wird, muß die Zukunft lehren. Es 
sei jedoch, um falschen Schlüssen vorzubengen, 
darauf hingewiesen, daß es selbstverständlich nicht 
zu erwarten ist, wir könnten mit Hilfe unserer 
Kolonien einstmals dahin kommen, daß alles, 
was die deutsche Industrie an kolonialen Roh- 
stoffen benötigt, auch innerhalb unserer eigenen 
Wirtschaftszone erzeugt wird. Um den Zweck, 
uns wirtschaftlich möglichst selbständig zu machen, 
  
zu erreichen, ist das auch nicht erforderlich. Die 
Gefahr für unsere industrielle Entwicklung liegt in 
der Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen. 
Diese aber bestimmen sich nicht allein nach der 
Summe des Angebots, d. h. der Menge der in 
der Welt verfügbaren Produkte einer bestimmten 
Art, sondern nach dem Unterschiede, der zwischen 
Angebot und Nachfrage besteht. übersteigt z. B. 
der Weltbedarf an Rohbaumwolle den Weltvorrat 
auch nur um ein geringes, so hat das eine 
Preissteigerung zur Folge. Umgekehrt führt 
ein Überschuß des Angebots über den Bedarf zu 
einer Preisherabsetzung. Es genügt also, daß 
wir in unseren Kolonien Rohstoffe in einer Menge 
erzeugen, die einen Einfluß auf die Gestaltung 
der Weltmarktpreise auszuüben und somit über- 
mäßigen, oft spekulativen Preissteigerungen, wie 
sie namentlich bei der Baumwolle zum Schaden 
unserer Textilindustrie öfter zu verzeichnen waren, 
entgegenzuwirken vermag, um eine Gesundung 
unserer Rohstoffversorgung herbeizuführen, insbe- 
sondere wenn die letztere von den beteiligten 
Industriekreisen selbst in die Hand genommen wird. 
Hiernach sind es ausschließlich wirtschaft-- 
liche Gesichtspunkte, welche die Entwicklung 
unserer Kolonien zu einer Lebensfrage der 
Nation machen, und das Ziel wird sich um so 
schneller und sicherer erreichen lassen, je mehr die 
Überzeugung von der Notwendigkeit dieser Ent- 
wicklung Gemeingut der Nation wird. 
Kus dem „TKropenpflanzer“. 
Die Märznummer des „Tropenpflanzer" ent- 
hält an erster Stelle einen Aufsatz von Dr. Va- 
geler über die Komponenten des Wasser- 
bedarfs der Nutzgewächse mit besonderer 
Berücksichtigung tropischer Verhältnisse. 
Als Beitrag zur Lösung der für die heißen Klimate 
so wichtigen Wasserfrage versucht der Verfasser in 
dieser Abhandlung den Begriff „Wasserbedarf der 
tropischen Nutzpflanzen“ theoretisch zu zergliedern; 
er will dadurch, angesichts der Tatsache, daß heute 
oft Kulturen auf Böden und in Gegenden ange- 
legt werden, wohin sie ihrem Wasserbedarf nach 
nicht gehören, zur Beobachtung und weiteren 
Arbeit auf dem noch stiefmütterlich behandelten 
Gebiete anregen. In einem weiteren Aufsatz: 
Zur Bekämpfung der Kokospalmen-Schild- 
laus (Aspidiotus destructor Sign.) unterzieht 
Dr. Schwartz die bisher in der Praxis ange- 
wandten Bekämpfungsverfahren gegen diesen ge- 
fährlichen Kokospalmenfeind einer Nachprüfung; 
er kommt bei einem Vergleich der biologischen 
Methode, d. h. der Vernichtung des Schädlings 
durch andere Insekten, mit dem Verfahren der
	        
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