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§ 16. Die nach § 17 der Verfügung des Reichskanzlers wegen Ausübung der Strafgerichts-
barkeit und der Disziplinargewalt gegenüber den Eingeborenen usw. vom 22. April 1896 (Kol. Bl.
S. 241) zulässigen Disziplinarstrafen können auf Antrag der Arbeitgeber außer von den nach obiger
Verfügung zuständigen Beamten auch von den Distriktskommissaren verhängt werden.
Auf Antrag des Arbeitgebers kann durch den Distriktskommissar oder, wo ein solcher nicht
bestellt ist, durch die örtliche Verwaltungsbehörde angeordnet werden, daß der Verurteilte seine Freiheits-
strafe auf dem Betriebe zu verbüßen und seine Arbeit während der Freiheitsstrafe zu verrichten hat.
In diesem Fall hat der Arbeiter für die Dauer der Freiheitsstrafe zwar Anspruch auf Verpflegungsgeld
oder auf eine dem Verpflegungsgelde in seinem Werte gleichende und zur Erhaltung der vollen
Arbeitskraft ausreichende Verpflegung, nicht aber auf den Arbeitslohn.
§ 17. Auf Antrag des Geschädigten wird mit Geldstrafe bis zu 1000 Rup. und mit
Gefängnis bis zu 14 Tagen allein oder in Verbindung miteinander bestraft:
1. Wer es unternimmt, eingeborene Arbeiter zum Bruche ihrer Arbeitsverpflichtung zu verleiten.
2. Wer in gewinnsüchtiger Absicht einen eingeborenen Arbeiter, von dem er weiß oder den
Umständen nach annehmen muß, daß er sich seiner Arbeitsverpflichtung gegenüber einem nichteingeborenen
Arbeitgeber entzogen hat, in Arbeit nimmt.
Gegen Eingeborene und die ihnen rechtlich gleichstehenden Farbigen finden die nach der
Verfügung des Reichskanzlers vom 22. April 1896 zulässigen Strafen Anwendung.
§ 18. Für die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit gegen Eingeborene wegen Zuwider-
handlungen gegen die Vorschriften dieser Verordnung und für die Entscheidung über vermögensrecht-
liche Ansprüche gegen Eingeborene aus dem in § 1, Abs. 1 bezeichneten Vertragsverhältnisse ist, wo
ein Distriktskommissar bestellt ist, dieser an Stelle der mit der Eingeborenengerichtsbarkeit betrauten
örtlichen Verwaltungsbeamten in erster Instanz zuständig.
Der Distriktskommissar ist neben der örtlichen Verwaltungsbehörde zur Wahrnehmung der
aus dieser Verordnung folgenden polizeilichen und sonstigen Verwaltungsbefugnisse zuständig. Er
wird ermächtigt, zur Durchführung der von ihm in rechtmäßiger Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt
getroffenen Anordnungen Zwang nach Maßgabe der §§ 9 bis 22 der Kaiserlichen Verordnung vom
14. Juni 1905 (Reichs-Gesetzbl. S. 717) anzuwenden, jedoch mit der Einschränkung, daß er in jedem
einzelnen Falle Geldstrafen nur bis zu 10 Rupien androhen und festsetzen darf.
Die örtlichen Verwaltungsbeamten und der Distriktskommissar haben das Recht, sich durch
Besichtigung der Betriebsstellen von der Beobachtung der den Arbeitgebern in dieser Verordnung
auferlegten Verpflichtungen zu überzeugen.
§ 19. Der Distriktskommissar ist befugt als gesetzlicher Vertreter des Arbeiters die diesem
aus dem Arbeitsvertrage gegen den Arbeitgeber zustehenden Ansprüche vor Gericht geltend zu machen.
§ 20. Diese Verordnung tritt am 1. Mai 1909 in Kraft.
Daressalam, den 27. Februar 1909.
Der Kaiserliche Gouverneur.
Freiherr von Rechenberg.
Verordnung des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrikao, betr. die Behkämpfung
der Tierseuchen.
Vom 27. Februar 1909.
Auf Grund des § 15 des Schutzgebietsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1900 S. 813) in Ver-
bindung mit § 5 der Verfügung des Reichskanzlers vom 27. September 1903 (Kol. Bl. S. 509)
wird hierdurch für das Ostafrikanische Schutzgebiet verordnet, was folgt:
§ 1. Als Haustiere im Sinne dieser Verordnung gelten: Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde,
Esel, Maultiere, Maulesel, Kamele, Schweine, Hunde, Katzen, Hühner, Enten, Gänse und Tauben.
§ 2. Als Seuchen im Sinne dieser Verordnung gelten: Rinderpest, Milzbrand, Rausch-
brand, Lungenseuche der Rinder, Maul= und Klauenseuche, Rotz, ansteckende Lymphgefäßentzündung
(afrikanischer Wurm) der Einhufer, Tuberkulose, Schafpocken, Tollwut, Lungenseuche und ansteckende
Lungen-Brustfellentzündung der Ziegen, Geflügelcholera, Hühnerpest.
§ 3. Die in den §§5 1 und 2 enthaltenen Verzeichnisse der Tierarten und Seuchen können
durch Bekanntmachung des Gouverneurs geändert oder ergänzt werden.