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Ehe nach christlichem Ritus vor einem Geistlichen 1)
der christlichen Religion abzuschließen.
Die Wirkungen, welche das Gesetz an die Ab-
schließung einer solchen Ehe knüpft, zeigen, daß es
den Hauptwert nicht auf die Form der Eheschließung,
sondern auf die Gestaltung der Ehe selbst legt. Es
will, wie im Eingang des Gesetzes gesagt ist, daß
„Ehen, die nach christlichem Ritus geschlossen sind,
in jeder Beziehung behandelt werden wie Ehen nach
Kolonialrecht“. Daraus folgt, daß die Polygamie
für Ehegatten, die nach christlichem Ritus geheiratet
haben, keine gesetzliche Eheform mehr sein kann.
Das Gesetz bestimmt deshalb in Sec. 13, daß ein-
geborene Ehegatten nach Kolonialrecht wegen Bigamie
bestraft werden, wenn sie während des Bestehens
der nach christlichem Ritus geschlossenen Ehe eine
zweite Ehe in dieser Form oder in der Form der
„Rechte, Gebräuche und Gewohnheiten“ der Ein-
geborenen eingehen. Diese Bestimmung wird ergänzt
durch Sec. 14, nach welcher Eingeborene, welche
nach christlichem Ritus geheiratet haben, auch dann
in den Formen des Eingeborenen-Rechts keine Ehe
mehr eingehen dürfen, wenn die nach christlichem
Ritus geschlossene Ehe durch den Tod einecs der
Ehegatten oder durch NRichterspruch gelöst ist. Ge-
schieht cs doch, so ist die Ehe nichtig und der Ehe-
gatte der früheren Ehe, der die neue abschließt,
macht sich strafbar.
Eine entsprechende Bestimmung in Sec. 15 hebt
für Kinder aus einer nach christlichem Ritus ge-
schlossenen Ehe die Ehe nach Eingeborenen-Recht
als gesetzliche Eheform von vornherein auf.2)
Eine weitere Beschränkung erfährt die Gültigkeit
des Eingeborenen-Rechts durch die Bestimmung der
Sec. 12, daß Prozesse, welche die Lösung einer nach
christlichem Ritus geschlossenen Ehe bezwecken, nach
Kolonialrecht zu entscheiden sind.
Im übrigen bleiben aber die Ehegatten dem
Eingeborenen-Recht unterworfen.
Der tiefen Bedeutung der Wirkungen einer Ehe-
schließung nach christlichem Ritus entspricht es, daß
das Gesetz dafür sorgt, daß die Eingeborenen, bevor
sie eine Ehe in dieser Form abschließen, mit den
Verpflichtungen, die sie damit übernehmen, bekannt
gemacht werden.
Das Gesetz bestimmt nämlich, daß die Berech-
tigung, eine solche Ehe abzuschließen, erst erworben
wird, wenn den Nupturienten von dem Resident
Magistrate eine Lizenz ausgestellt ist, deren Er-
teilung unter anderem davon abhängig ist, daß die
Nupturienten erklären, es seien ihnen die Natur und
0 2 er Geistliche muß besonders dazu ermächtigt
sein. In der nach Kolonialrecht gleichfalls gültigen
Form vor einem Standesbeamten dürfen solche Ein-
geborenen eine Ehe nicht abschließen. Agl. Sec. 1 und
3 cit. und Sec. 1 net 44 of 1903.
2) Schließen sie dennoch eine Ehe nach Eingeborenen-
Recht ab, so machen sie sich strafbar und die Ehe ist
nichtig. Sec. 15 cit.
Verpflichtungen einer solchen Eheschließung ausein-
andergesetzt und von ihnen verstanden worden. Die
Lizenz ist auch dann erforderlich, wenn nur einer
der Nupturienten vom Eingeborenen-Recht nicht
eximiert ist.))
2. Law No. 28 of 1865.
Nach diesem Gesetz?) können Eingeborene), die
gewisse Vorbedingungen erfüllen, von dem Gou-
verneur für das ganze Gebiet des Rechts der
Herrschaft des Eingeborenen-Rechts entzogen und
dem Kolonialrecht unterstellt werden.
Die Befreiung vom Eingeborenen-Recht erfolgt
auf ein Gesuch des Eingeborenen durch Erteilung
eines Patents (letter of exemption). Von dem
Zeitpunkt der Veröffentlichung des Patents in der
„Government Gazette“ an untersteht der Petent
dem Kolonialrecht.
Die Voraussetzungen für die Erteilung des Patents
sind verschieden, je nachdem der Petent ein Mann
oder eine unverheiratete Frau ist. Männer müssen
lesen und schreiben können und eine Bescheinigung
einreichen, in der von einem nicht eingeborenen
Bürger der Kolonie, der die Fähigkeit zum Ge-
schworenenamt besitzt, erklärt wird, daß der Petent
würdig und fähig sei, vom Eingeborenen-Recht befreit
zu werden. Der Petent darf nicht in Polygamie
leben und muß vor der Erteilung des Patents dem
Könige den Treueid leisten.")
Unverheiratete Frauen müssen lesen und schreiben
können und eine Erklärung einer Person europäischer
Abkunft beibringen, daß sie geneigt sei, das Amt
eines Vormundes bei ihnen zu übernehmen. Außer-
dem müssen sie eine Bescheinigung eines christlichen
Geistlichen einreichen, (in der dieser seine Uber-
zeugung ausspricht, daß die Petentin geeignet sei,
vom Eingeborenen-Recht eximiert zu werden, und daß
die zur Führung der Vormundschaft vorgeschlagene
Person sich zu diesem Amte eigne.)
Ein Befreiungspatent, das einem verheirateten
Manne erteilt wird, gilt auch für seine Frau und
Kinder, soweit diese nicht verheiratet oder über
16 Jahre alte Söhne sind, oder vom Gouverneur
als ungeeignet ausgeschlossen werden. War die Ehe
des Petenten nach Eingeborenen-Recht abgeschlossen,
so kann der Gouverneur alle Kinder ausschließen.
1) Scc. 2, 7, 8 cit. Eine weitere Voraussexxung
für die Erteilung der Ligenz ist bei einem vom Gin-
geborenen-Recht nicht erimierten Mädchen die Einwiln-=
gung ihres Maters oder gesetzlichen Vertreters in die
Cheschließung. Sec. 5 cit. Die Lizen ist nicht erforderlich
bei Eingeborenen, die schon vor Eingehung der Cde
vom „.Einnge borenen Recht erimiert waren.
2) Dgl. auch das oben darüber Gesagte.
3) d. h. nach Scc. 37 cit. „Farbige Personen.
wohnhaft in der Kolonic, die gewöhulich „hative’ ge-
naunnt werden“.
4) Sec. 28. 12 cit.
5) Sec. 29 bis 33 cit.