Full text: Deutsches Kolonialblatt. XX. Jahrgang, 1909. (20)

W 604 20 
Ehe nach christlichem Ritus vor einem Geistlichen 1) 
der christlichen Religion abzuschließen. 
Die Wirkungen, welche das Gesetz an die Ab- 
schließung einer solchen Ehe knüpft, zeigen, daß es 
den Hauptwert nicht auf die Form der Eheschließung, 
sondern auf die Gestaltung der Ehe selbst legt. Es 
will, wie im Eingang des Gesetzes gesagt ist, daß 
„Ehen, die nach christlichem Ritus geschlossen sind, 
in jeder Beziehung behandelt werden wie Ehen nach 
Kolonialrecht“. Daraus folgt, daß die Polygamie 
für Ehegatten, die nach christlichem Ritus geheiratet 
haben, keine gesetzliche Eheform mehr sein kann. 
Das Gesetz bestimmt deshalb in Sec. 13, daß ein- 
geborene Ehegatten nach Kolonialrecht wegen Bigamie 
bestraft werden, wenn sie während des Bestehens 
der nach christlichem Ritus geschlossenen Ehe eine 
zweite Ehe in dieser Form oder in der Form der 
„Rechte, Gebräuche und Gewohnheiten“ der Ein- 
geborenen eingehen. Diese Bestimmung wird ergänzt 
durch Sec. 14, nach welcher Eingeborene, welche 
nach christlichem Ritus geheiratet haben, auch dann 
in den Formen des Eingeborenen-Rechts keine Ehe 
mehr eingehen dürfen, wenn die nach christlichem 
Ritus geschlossene Ehe durch den Tod einecs der 
Ehegatten oder durch NRichterspruch gelöst ist. Ge- 
schieht cs doch, so ist die Ehe nichtig und der Ehe- 
gatte der früheren Ehe, der die neue abschließt, 
macht sich strafbar. 
Eine entsprechende Bestimmung in Sec. 15 hebt 
für Kinder aus einer nach christlichem Ritus ge- 
schlossenen Ehe die Ehe nach Eingeborenen-Recht 
als gesetzliche Eheform von vornherein auf.2) 
Eine weitere Beschränkung erfährt die Gültigkeit 
des Eingeborenen-Rechts durch die Bestimmung der 
Sec. 12, daß Prozesse, welche die Lösung einer nach 
christlichem Ritus geschlossenen Ehe bezwecken, nach 
Kolonialrecht zu entscheiden sind. 
Im übrigen bleiben aber die Ehegatten dem 
Eingeborenen-Recht unterworfen. 
Der tiefen Bedeutung der Wirkungen einer Ehe- 
schließung nach christlichem Ritus entspricht es, daß 
das Gesetz dafür sorgt, daß die Eingeborenen, bevor 
sie eine Ehe in dieser Form abschließen, mit den 
Verpflichtungen, die sie damit übernehmen, bekannt 
gemacht werden. 
Das Gesetz bestimmt nämlich, daß die Berech- 
tigung, eine solche Ehe abzuschließen, erst erworben 
wird, wenn den Nupturienten von dem Resident 
Magistrate eine Lizenz ausgestellt ist, deren Er- 
teilung unter anderem davon abhängig ist, daß die 
Nupturienten erklären, es seien ihnen die Natur und 
0 2 er Geistliche muß besonders dazu ermächtigt 
sein. In der nach Kolonialrecht gleichfalls gültigen 
Form vor einem Standesbeamten dürfen solche Ein- 
geborenen eine Ehe nicht abschließen. Agl. Sec. 1 und 
3 cit. und Sec. 1 net 44 of 1903. 
2) Schließen sie dennoch eine Ehe nach Eingeborenen- 
Recht ab, so machen sie sich strafbar und die Ehe ist 
nichtig. Sec. 15 cit. 
  
  
Verpflichtungen einer solchen Eheschließung ausein- 
andergesetzt und von ihnen verstanden worden. Die 
Lizenz ist auch dann erforderlich, wenn nur einer 
der Nupturienten vom Eingeborenen-Recht nicht 
eximiert ist.)) 
2. Law No. 28 of 1865. 
Nach diesem Gesetz?) können Eingeborene), die 
gewisse Vorbedingungen erfüllen, von dem Gou- 
verneur für das ganze Gebiet des Rechts der 
Herrschaft des Eingeborenen-Rechts entzogen und 
dem Kolonialrecht unterstellt werden. 
Die Befreiung vom Eingeborenen-Recht erfolgt 
auf ein Gesuch des Eingeborenen durch Erteilung 
eines Patents (letter of exemption). Von dem 
Zeitpunkt der Veröffentlichung des Patents in der 
„Government Gazette“ an untersteht der Petent 
dem Kolonialrecht. 
Die Voraussetzungen für die Erteilung des Patents 
sind verschieden, je nachdem der Petent ein Mann 
oder eine unverheiratete Frau ist. Männer müssen 
lesen und schreiben können und eine Bescheinigung 
einreichen, in der von einem nicht eingeborenen 
Bürger der Kolonie, der die Fähigkeit zum Ge- 
schworenenamt besitzt, erklärt wird, daß der Petent 
würdig und fähig sei, vom Eingeborenen-Recht befreit 
zu werden. Der Petent darf nicht in Polygamie 
leben und muß vor der Erteilung des Patents dem 
Könige den Treueid leisten.") 
Unverheiratete Frauen müssen lesen und schreiben 
können und eine Erklärung einer Person europäischer 
Abkunft beibringen, daß sie geneigt sei, das Amt 
eines Vormundes bei ihnen zu übernehmen. Außer- 
dem müssen sie eine Bescheinigung eines christlichen 
Geistlichen einreichen, (in der dieser seine Uber- 
zeugung ausspricht, daß die Petentin geeignet sei, 
vom Eingeborenen-Recht eximiert zu werden, und daß 
die zur Führung der Vormundschaft vorgeschlagene 
Person sich zu diesem Amte eigne.) 
Ein Befreiungspatent, das einem verheirateten 
Manne erteilt wird, gilt auch für seine Frau und 
Kinder, soweit diese nicht verheiratet oder über 
16 Jahre alte Söhne sind, oder vom Gouverneur 
als ungeeignet ausgeschlossen werden. War die Ehe 
des Petenten nach Eingeborenen-Recht abgeschlossen, 
so kann der Gouverneur alle Kinder ausschließen. 
1) Scc. 2, 7, 8 cit. Eine weitere Voraussexxung 
für die Erteilung der Ligenz ist bei einem vom Gin- 
geborenen-Recht nicht erimierten Mädchen die Einwiln-= 
gung ihres Maters oder gesetzlichen Vertreters in die 
Cheschließung. Sec. 5 cit. Die Lizen ist nicht erforderlich 
bei Eingeborenen, die schon vor Eingehung der Cde 
vom „.Einnge borenen Recht erimiert waren. 
2) Dgl. auch das oben darüber Gesagte. 
3) d. h. nach Scc. 37 cit. „Farbige Personen. 
wohnhaft in der Kolonic, die gewöhulich „hative’ ge- 
naunnt werden“. 
4) Sec. 28. 12 cit. 
5) Sec. 29 bis 33 cit.
	        
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