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Deutsch-Neuguinea.
Der Lehrer Jesper hat am 31. Dezember
1908 die Ausreise nach Deutsch-Neuguinea an-
getreten. «
Samoa.
Dem kommissarischen Sekretär Mars ist die
etatsmäßige Stelle eines Sekretärs bei dem
Kaiserlichen Gouvernement von Samoa über-
tragen worden.
muchtamtlicher Teit
EL
Uachrichten aus den deutschen Schutzgebieten.
(Abdruck der Nachrichten vollständig oder teilweise nur mit Quellenangabe gestattet.)
Deutsch-Ostafrika.
Lotemismus in Deutsch-Ostafrika.
Von Dr. Dempwolff, Stabsarzt in den Schutztruppen.
Wohl alle Religionen weisen Beziehungen zu
bestimmten Tierarten auf, vom göttlich verehrten
Apisstier bis zum symbolsschen „Lamm Gottes“.
Wo auf einer niederen Stufe mythologischer Ent-
wicklung die ganze Umwelt beseelt gedacht wird,
da finden sich eigenartige Systeme solcher Be-
ziehungen zwischen bestimmten Tier= (seltener
Pflanzen-) spezies und gewissen Gruppen der Be-
völkerung: Totemismus. Die Bevölkerungs-
gruppe, welche dasselbe Totem hat, fühlt sich
blutsverwandt, obwohl sie nach unserer Auffassung
häufig nur entfernten Grades verwandt ist; sie
glaubt mitunter, von der Tierart abzustammen.
Das Totem wird von denen, die sich zu ihm
rechnen, nicht verletzt, nicht getötet oder verzehrt,
mitunter verehrt; es ist „sacer“ im ursprünglichen
Wortsinn, heilig und unrein zugleich.
Totemismus ist in Amerika und Australien,
in Asien und fast überall in Afrika festgestellt;
aus Deutsch-Ostafrika jedoch liegen nur spär-
liche Mitteilungen 1) und Hinweise 2) vor; den
meisten Europäern im Schutzgebiet ist sein Vor-
kommen gänzlich unbekannt.
Während meines Aufenthaltes in Deutsch-
Ostafrika 1906 und 1907 habe ich, teilweise
unterstützt von verschiedenen Europäern, folgendes
erkundet:
Ein in vielen Bantusprachen vorkommendes
oder verstandenes Wort „mwiko“ bedeutet „reli-
giöses Verbot“, im besonderen ein Speiseverbot,
1) Ich habe bisher solche nur gefunden bei Gut-
mann: Totemismus bei den Wadshagga. Evang.
Luther. Miss. Bl. 1906, Seite 61. Nigmann: Die
Wahehe. Berlin 1908, Seite 42.
:) Sie sind zu entnehmen den Aufsätzen: Richter:
Der Bezirk Bukoba. Mitt. a. d. d. Schutzgeb. XII 1899,
Seite 67 ff. Schumann in Berliner Missionsber. 1904,
S. 60 bis 80, zitiert nach Fülleborn: Die Nyassa-
länder, S. 374. „Mwiko: Verboten“ in „Gott will es!“.
1906, S. 349.
das der Zauberdoktor einer Person auferlegt. Es
entspricht etwa dem uns aus der Südsee geläu-
sigen Begriffe des „Tabu“.
Ein anderes Wort lautet im Swaheli „mio“,
im Saramo und in einer Reihe verwandter Mund-
arten „milo, muzilo, muziro“, im Sukuma „mu-
giro“, im Hehe „mutsilo“, im Bena „mudezilo“
usw. Es bedeutet „religiöse Vermeidung, die
ererbt wird“. Das entsprechende Zeitwort
„kuzia, kuzila, kugira, kutsila“ usw. scheint durch
die meisten Bantusprachen zu gehen, z. B. im
Loango „kushila“, im unteren Kongo „quisilla",
im Herero „okuzera“; Meinhoft!) führt es auf
Urbantu „ku-yila“ zurück. Als seine Bedeutung
ist meist „vermeiden, hassen“ angegeben, das Mo-
ment der Vererbung einer bestimmten „Vermei-
dung“" aber nicht zum Ausdruck gebracht. Tat-
sächlich läßt sich nachweisen, daß unter dem
Einfluß des Mohammedanismus der engere Begriff
dem weiteren Platz macht, so jedenfalls im Swaheli.
Die Objekte der „Vermeidung“ sind Tiere,
Teile von Tieren und Pflanzen. Unter den Tieren
sind neben Jagd= und Nutztieren besonders häufig
kleine Vogelarten vertreten.
Als Teile von Tieren sind u. a. Magen, Leber
und Embryo aufgeführt. Von Pflanzen find mir
nur in zwei Fällen Bäume genannt, deren bota-
nische Namen ich nicht weiß. In der Regel
wurde mir von jedem Gefragten nur eine „Ver-
meidung“ genannt, mitunter zwei, ganz selten
drei, die richtig ererbt waren, nicht nur als per-
sönliches Verbot galten.
Die Vererbung der „Vermeidung“ geschieht
bei den meisten Volksstämmen Deutsch-Ostafrikas
in Vaterfolge, so daß wir diesen Vorgang der
Vererbung unserer Familiennamen parallel setzen
und so unserem Verständnis näher bringen können.
Nur von einigen Nyamwezi wurde mir Mutter-
folge für die Vererbung ihrer „Vermeidung“ an-
gegeben, und einige Leute vom Viktoria-Nyanza,
Sukuma und Kerewe, erklärten, daß bei ihnen
1) Meinhof: Grundriß einer Lautlehre der Bantu-
sprachen. Leipzig 1899, S. 155.