W 898 20
Sandbank nahe bei Potomo überzusetzen, und der
unter eigener Gefahr aus dem ihm feindlich ge-
sinnten Dorfe Loniu ein seetüchtiges Kanu requi-
rierte, mittels dessen es wenigstens mir und dem
ersten Offizier des „Seestern“ möglich wurde,
nach dem bei Pitelu liegenden Schiffe zurück-
zukehren.
Am Morgen des 24. April verließ „Seestern“
Pitelu und nahm zunächst Kurs nach der Insel
Paak (St. Gabriel). Die Häuptlinge der beiden
auf der Insel wohnenden Eingeborenensippen
waren im Februar d. Is. mit dem Landmesser
Klink nach Herbertshöhe gekommen und hatten
um Schutz gegen die Bewohner von Lambutjo
(Jesus Maria-Insel) gebeten, welche im Besitze
mehrerer Gewehre waren und mit diesen die Be-
wohner der benachbarten Inseln ständig in
Schrecken hielten. Die Häuptlinge hatten sich
bereit erklärt, bei der Erlangung der Gewehre
mitzuwirken, und gebeten, sie in Paak abzuholen
und nach Lambutjo mitzunehmen.
Als wir in Paak an Land fuhren, kamen
uns die beiden Häuptlinge Sapon und Simio in
Kanus entgegen, geschmückt mit den Mützen und
Häuptlingsstöcken, welche sie von mir anläßlich
ihrer Anwesenheit in Herbertshöhe erhalten hatten.
Sie hatten, wie ich schon in Pitelu erfuhr, alsbald
nach ihrer Rückkehr, angetan mit den Zeichen
ihrer neuen Häuptlingswürde, eine Rundreise bis
zu den Inseln im Nordwesten der Hauptinsel
unternommen und überall die Ermahnungen zum
Frieden, die sie in Herbertshöhe erhalten hatten,
weiterverbreitet. In Paak selbst hatten sie ihre
Leute veranlaßt, alle Waffen, insbesondere die
Obsidianspeere, dem auf der Insel wohnenden
chinesischen Händler zu verkaufen, da sie jetzt
friedlich leben wollten.
Die Dienstgeschäfte in Paak, bestehend in der
Kontrolle der auf der Hernsheimschen Handels-
station befindlichen Arbeiter, waren balo erledigt.
Ich besuchte dann noch die beiden in geringer
Entfernung voneinander gelegenen Dörfer, deren
Gesamtbevölkerung nach einer von Landmesser
Klink im Dezember 1908 vorgenommenen Zählung
319 betrug. Die Häuptlinge zeigten mir mit
Stolz die breiten, mit weißem Sand bestreuten
und mit Abzugsgräben versehenen Wege, die sie
nach dem Muster der in Herbertshöhe gesehenen
Straßen angelegt hatten.
Nach etwa einstündigem Aufenthalt ging ich
wieder an Bord. Gleichzeitig schifften sich die
beiden Häuptlinge mit elf ihrer Leute ein. Die
Häuptlinge hatten ein Kanu in Lambutjo liegen
und wollten auf diesem nach Paak zurückkehren,
ihre Begleiter sollten als Ruderer dienen.
Der „Seestern“ fuhr zurück nach der Haupt-
insel. Vor dem Dorfe Loniu setzte „Seestern“
ein Boot ab, welches mich an Land brachte,
während das Schiff selbst nach Potomo weiter-
fuhr, um dort den Polizeimeister nebst der Truvve
an Bord zu nehmen und dann mich wieder
abzuholen.
Zwischen den nur wenige Stunden vonein-
ander entfernt liegenden Ortschaften Lonin und
Papitalai herrschte ständige Fehde. Die Lonirn-
Leute waren zwar an Zahl den Bewohnern von
Papitalai erheblich überlegen, wurden jedoch durch
ein im Besitze des Häuptlings Pominis befind-
liches Winschestergewehr im Zaume gehalten.
Pominis hatte bisher immer gebeten, ihm dieses
Gewehr nicht abzunehmen, da sein Stamm so#n
den Loniu-Leuten wehrlos ausgeliefert wäre. Es
war aus diesem Grunde bisher von der Weg-
nahme des Gewehrs Abstand genommen worden.
Auch seit der letzten Anwesenheit des „Seostern-
waren mehrere Klagen über von Pominis ver-
übte Uberfälle in Herbertshöhe eingelaufen, ander-
seits hatte auch dieser sich durch Vermittlung der
katholischen Mission über Gewalttätigkeiten der
Lonin-Leute beschwert.
In der letzten Zeit waren jedoch, wie mir
schon Pominis erzählt hatte, zwischen ihm und
dem zweiten Häuptling von Papitalai, Songan,
Zwistigkeiten ausgebrochen, die zur gegenseitigen
Zerstörung von Häusern und Kanus führten. die
Ursache dieser Zwistigkeiten wurde von den beiden
Parteien verschieden dargestellt. Pominis sah sich
schließlich veranlaßt, Papitalai zu verlassen, und
ließ sich mit einigen seiner Anhänger auf der
Insel Makarenge (Los Negros), deren Bewohner
ihn ebenfalls als Häuptling anerkannten, nieder,
während Songan alleiniger Häuptling in Papitalai
wurde. Songan schloß mit den Loniu-Lemen
Frieden. Er befand sich gerade in Loniu, als
ich dort an Land ging. Er und der Häuptling
Kapal von Loniu erklärten mir, die Fedden
zwischen den beiden Stämmen hätten nun end-
gültig aufgehört, beide hätten nur den Wunich,
auch mit Pominis in Frieden zu leben, und
wünschten, daß dieser in Makarenge bleibe. Die
Loniu-Leute hatten die hölzernen Gewedr-
nachahmungen, die sie früher zur Einschüchterung
der Papitalai-Leute getragen hatten, bis auf eine
nicht ungeschickte Nachahmung des Gewebrs
Modell 88, bei welcher als Lauf ein dünnes
Bambusrohr diente, verbrannt. Bei dieser Ge-
legenheit möchte ich bemerken, daß ich auch bet
dem Hernsheimschen Angestellten in Norn eine
bis ins kleinste naturgetreu gearbeitete Nach-
ahmung eines Karabiners gesehen hatte, weiche
aus einem Dorf im Innern der Hauptinsel stammm
und jedenfalls dem Besitzer als Schreckminel ge-
dient hatte.