Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

W 243 2O 
des Landes, da eine richtige Entscheidung über 
Rechtsstreitigkeiten als wirksames Erziehungs- 
mittel bezüglich der Gewohnheiten der Eingebore- 
neu dienen kann. Die Territorialrichter sind an- 
gewiesen, jedesmal, wenn sie von einem bevor- 
stehenden Prozeß Kenntnis erhalten, soweit als 
möglich von dem Kläger genaue Einzelheiten zu 
erfragen, damit die Eingeborenen die Überzeu- 
gung erhalten, daß der Richter versucht, die wah- 
ren Tatsachen zu ergründen. Er soll sich soweit 
als möglich bemühen, durch gütiges Zureden die 
Streitigkeiten freundschaftlich zu 
schlichten unhd, falls dies gelingt, das Resul- 
tat schriftlich festlegen, wodurch eine endgültige 
Erledigung des Eingeborenenstreits begründet 
wird. Sie sind ferner angewiesen, gegen unbe- 
rechtigte Klagen und falsche Darstellungen zur 
Vermeidung von Ungerechtigkeiten und Mißach- 
tung des Gerichtes mit möglichster Strenge vor- 
zugehen. 
Die portugiesische Regierung hat allergrößten 
Wert darauf gelegt, die Sitten und Gewohnheiten 
der Eingeborenen den bestehenden Gesetzen ent- 
sprechend zu berücksichtigen. 
Zu diesem Zweck und zur möglichst weitgehen- 
den Vereinfachung und Einheitlichkeit der Ent- 
scheidung in Eingeborenenstreitigkeiten im ganzen 
Bezirk hat man den Richter dazu veranlaßt, nach 
Möglichkeit alles, was Sitten und Ge- 
bräuche des Landes betrift, zu ermitteln 
und aufzuzeichnen. Dem vorgesetzten Ge- 
richt sind in gewissen Zeiträumen Abschriften der 
Ermittlungen einzureichen. 
Dem Studium und der Sammlung der Ein- 
geborenensitten und -gebräuche steht auf der ande- 
ren Seite eine Sammlung der, unter Be- 
rücksichtigung des Eingeborenenrechts, gefäll- 
ten Eutscheidungen gegenüber. Hier- 
durch soll die richterliche Behörde in die Lage 
versetzt werden, gefällte Entscheidungen zu ken- 
nen und eventuell zur Vermeidung von Wieder- 
holung desselben Prozesses einzuschreiten, wenn 
die unzivilisierten Eingeborenen, ihrer bekannten 
Gewohnheit gemäß, die zu ihren Ungunsten be- 
reits entschiedenen Rechtsstreitigkeiten vor jedem 
neuen richterlichen Beamten wieder vorbringen. 
Die Sammlung der Cntscheidungen in Ein- 
geborenensachen soll eine Unterlage für die 
spätere Gesetzgebung schaffen. Hierdurch sollen 
widersprechende Entscheidungen vermieden wer- 
den, welche auf die Eingeborenen stets eine 
schlechte Wirkung hervorrufen, da diese in solchen 
Fallen leicht auf Parteilichkeit der Richter zu 
schließen geneigt sind, wodurch das Ansehen und 
die Autorität der Behörde leidet. 
Der einheitlichen Rechtsprechung in Einge- 
borenenangelegenheiten soll auch die Aufstellung 
  
von Statistiken dienen, die auf Grund der 
noch zu erwähnenden Register aufzustellen sind. 
Man zieht oft zu den Entscheidungen ein- 
geborene Häuptlinge oder Unter- 
häuptlinge heran, die gewissermaßen als 
Sachverständige bezüglich der Eingeborenensitten 
und Gewohnheiten ihre Ansichten zu äußern 
haben. 
Über das Verfahren der Schlichtung von Ein- 
geborenenstreitigkeiten bestehen folgende Bestim- 
mungen: 
Alle Eingeborenenstreitigkeiten 
müssen im mündlichen und einfachen Verfah- 
ren nach den bestehenden Vorschriften entschie- 
den und nach folgendem Muster schriftlich fest- 
gelegt werden: 
a) mit laufender Nummer, Jahr und Monat, 
Dienstbezeichnung des Territorialrichters, 
b) Eintragung in das Register, 
c) Vor= und Zuname, Wohnort des Klägers 
und nähere Angaben zu seiner Identifikation, 
d) Vor= und Zuname, Wohnort des Beklag- 
ten und nähere Angaben zu seiner Identifkation, 
e) Hauptinhalt der Klage, 
f) Tatbestand der Beweise, . 
g) Entscheidung des Richters unter tunlicher 
Voransetzung einer Erwähnung der einschlägigen 
Sitten und Gebräuche des Landes. 
Die Rechtsentscheidungen werden mit aus— 
zugsweiser Inhaltsangabe, Namen der Parteien, 
Wohnort, Streitgegenstand und Entscheidung in 
ein Register eingetragen. Für alle beteiligten 
Parteien wird eine Abschrift der Verhandlung 
ausgestellt unter Hinzufügung der ausdrücklichen 
Erklärung, daß die darin enthaltene Entscheidung 
endgültig erfolgt ist, streng befolgt werden muß 
und unter keinen Umständen einem anderen Rich- 
ter zur nochmaligen Entscheidung vorgetragen 
werden darf. Dies geschieht lediglich, um den 
Eingeborenen an die Antorität der gerichtlichen 
Entscheidung zu gewöhnen und eine nochmalige 
Klage in derselben Angelegenheit vor einem ande- 
ren Richter zu vermeiden. 
In besonders wichtigen Rechtsstreitigkeiten 
sollen die Aussagen der Hauptzeugen, ebenso wie 
die Meinung und Stimme etwa anwesender 
Häuptlinge auszugsweise sorgfältig schriftlich 
niedergelegt werden. 
Es gehört zu den Pflichten des Richters, die 
Streitigkeiten auf gütlichem Wege zu schlichten, 
und sic nur dann zur richterlichen Entscheidung 
zu bringen, wenn alle Mittel zur gütlichen Erledi- 
gung erschöpft sind. 
lier die Zuständigkeit des Eingreifens des 
Territorialrichters in die eigentlichen Arbeiter- 
angelegenheiten wird an anderer Stelle die Rede 
sein.
	        
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