Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Der Zusammenhang des heimischen Kapitals 
mit den Kolonien besteht in zweierlei Richtung: 
Unsere Kolonien brauchen das heimische Kapital, 
und das heimische Kapital, unser Handel und 
Industrie, werden von Jahr zu Jahr die Kolonien 
weniger entbehren können. 
Es war natürlich, daß sich das Kapital in 
der ersten Zeit unserer Kolonialwirtschaft von 
kolonialen Unternehmungen zurückhielt. Die Un- 
sicherheit des Eigentums und des Lebens, die 
unsicheren Rechtsverhältnisse, das Fehlen von 
Transportwegen, Eisenbahnen usw. war nicht 
dazu angetan, das heimische Kapital zu größeren 
Unternehmungen in den Kolonien zu verlocken. 
Trotzdem wurden bald nach der Besitzergreifung 
der Kolonien mit großem Wagemut verhältnis- 
mäßig bedeutende Kapitalien angelegt, z. B. im 
Kaffeebau in Usambara und in einer Zurcker- 
industrie am Rufiyi in Deutsch-Ostafrika. Rück- 
schläge und Mißerfolge waren bei diesen Unter- 
nehmungen in einem ganz fremden Lande unver- 
meidlich. Trotz dieser Mißerfolge wurden die 
ersten Pionierarbeiten zur wirtschaftlichen Er- 
schließung unserer Kolonien fortgesetzt; Anfang 
der neunziger Jahre wurde eine Menge kleinerer 
Gesellschaften gegründet. Nach vorübergehender 
Stockung ist dann auf das System hingearbeitet 
worden, unsere Kolonien finanziell möglichst selb- 
ständig zu machen. Das Interesse für die kolo- 
niale Arbeit wuchs; durch den Eisenbahnbau sind 
große Kapitalien in den Kolonien angelegt worden. 
Viele Unternehmungen haben begonnen, Renten 
abzuwerfen. An der Börse werden heute Kolonial- 
werte in großer Zahl gehandelt. Neue Hilfs- 
auellen find durch mineralische Schätze eröffnet, 
die Minen sind für das koloniale Wirtschaftsleben 
von größter Bedeutung geworden. 
In Deutschland werden aus dem Auslande 
für etwa zwei Milliarden Mark Rohstoffe einge- 
führt. Wir müssen daher danach streben, daß 
die Kolonien mehr und mehr eine Produktions= 
stätte für Rohstoffe für die heimische Industrie 
werden. Der Schwerpunkt der Kolonien liegt 
heute weniger darin, daß deutsche Auswanderer 
dort Arbeit und Lohn finden, und daß die Kolonien 
uns die sogenannten „Kolonialwaren“, wie Zucker, 
Kaffee usw., liefern — für letztere bestehen in 
fremden Ländern Produktionszentren, welche diese 
Produkte billiger liefern können —, das Ziel ist 
vielmehr das, Rohstoffe, wie Baumwolle, Hauf, 
Olfrüchte, Wolle, Felle und Gerbstoffe, für die 
Industrie zu gewinnen. Die Vorbedingungen 
hierfür sind in unseren Kolonien gegeben. Es 
liegt daher im Interesse der Industrie, die mit 
zu den Repräsentanten des heimischen Kapitals 
gehört, Bestrebungen der Unternehmer und des 
  
Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees zu unterstützen. 
Das deutsche Nationalvermögen erleidet z. B. 
durch die Abhängigkeit auf dem Baumwollmarkte 
von Amerika große Verluste. 
Zur Erreichung des Zieles, Deutschland im 
Bezuge seiner Rohstoffse vom Auslande möglichst 
unabhängig zu machen, kann das kleine wie das 
große Kapital beisteuern. Das kleinere Kapital 
darf für größere Plantagenunternehmungen bei 
dem vorhandenen Risiko erst nach einer Reihe 
von Jahren herangezogen werden. Zur finanziellen 
Unterstützung des kleineren Pflanzers in den ersten 
Jahren empfiehlt Geheimrat Paasche, in den 
Kolonien Landeskultur-Rentenbanken nach 
dem Vorbild der Hypothenbank in Kiautschou 
zu errichten. . 
Das Großkapital muß in ganz anderer Weise 
wagemutig vorgehen; in erfreulicher Weise be— 
teiligt es sich heute mehr als bisher an kolonialen 
Unternehmungen. Daß sich auch fremdes Kapital 
in unseren Kolonien betätigt, können wir nicht 
hindern; auch unser Kapital arbeitet in beträcht— 
licher Höhe im Auslande. Anderseits darf uns 
das Eindringen fremden Kapitals nicht beunruhigen, 
es bleiben doch Erzeugnisse auf deutscher Scholle, 
die auf deutschen Schiffen verfrachtet werden 
müssen und eventuell der heimischen Industrie 
vorzugsweise zugute kommen. Aufgabe des 
Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees muß es sein, 
immer mehr durch fleißige Arbeit zu zeigen, daß 
und wo in unseren Kolonien die Vorbedingungen 
für eine gute Kapitalsanlage vorhanden find, 
und dahin zu wirken, daß der Bedarf der hei- 
mischen Industrie an den benötigten Rohstoffen 
immer mehr in den eigenen Kolonien gedeckt wird. 
Im Anschluß an das Referat wurde be- 
schlossen, der Frage der Landpolitik und Er- 
richtung von Landeskultur-Rentenbanken in den 
Kolonien bei der nächsten Tagung des Komitees 
näherzutreten. 
Wasserwirtschaftliche Untersuchungen für 
die Berieselung der Mkattasteppe. 
Über den derzeitigen Stand der wasser- 
wirtschaftlichen Untersuchungen für die 
Berieselung der Mkattasteppe, insbesondere 
im Interesse des Baumwollbaues, berichtete 
Geheimer Oberbaurat Schmick: 
„Nach den bisherigen Untersuchungen des 
Ingenieurs Boos kommen für die Bewässerung 
der Mkattasteppe im wesentlichen zwei Flüsse in 
Betracht, einmal der bei Kilossa aus dem Nord- 
Rubeho-Gebirge austretende Mukondokwa und 
ferner der nördlich davon aus dem gleichen Ge- 
birgszuge kommende Wami, endlich noch dessen 
Nebenfluß Kissagata. 
Der Mukondokwa bildet unmittelbar unterhalb 
Kilossa zuerst den Mkwadanisumpf, aus dem er
	        
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