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Koloniale Preßstimmen.
Unter der Überschrift
„Die Sudwestafrikaner und die Reichsregierung“
bringt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“
vom 12. ds. Monats an ihrer Spitze folgende
Ausführungen:
Nach einer überseeischen Korrespondeng hat der
Landesrat in Windhuk mit einer Resolution geschlossen,
in welcher er erklärt, außerstande zu sein, der Politik
des Reichs-Kolonialamts mit zuversicht zu folgen.
Die Resolntion soll veranlaßt sein neben der in
ihr selbst enthaltenen Begründung durch wiederholte
Ausdrücke der Nichtachtung, welche der Staatssekretär
gegenüber den Südwestafrikanern gebraucht habe. Ge-
legentlich der Erörterung der Frage, ob und in welchem
Umfange die Selbstverwaltungsbefugnisse des südwest-
afrikanischen Schutzgebiets auszudehnen seien, hat der
Staatssekretär bei der allgemeinen Schilderung des
wirtschaftlichen und sozialen Aufbaues auf Grund der
von dem Gounvernement eingereichten Jahresdenkschrift
die Feststellung zu machen gehabt, daß in dem Schutzgebiet
eine nach Nationalitäten stark gemischte Bevölkerung
ihren Wohnsitz habe, daß die Kriminalität der Weißen
im Vergleich mit der Heimat eine außerordentlich hohe,
der Alkoholverbrauch der weißen Bevölkerung ein sehr
bedenklicher sei, und das Anwachsen des Mischelements,
der sogenannten Bastards, gerade in den letzten Jahren
eine sehr bedrohliche Ausdehnung gewonnen habe.
Diese objektiven Feststellungen sind bioher nach keiner
Richtung entkräftet worden. Sie waren für die Beur-
teilung der Sachlage nicht entbehrlich.
Schließlich hat gegenüber einem Antrage, die Er-
teilung von Konzessionen, Bergwerks= und Land-
berechtigungen von der Anhörung des Landesrats ab-
hängig zu machen, Herr Dernburg darauf hingewiesen,
zu welchen Zuständen in anderen Ländern die Ver-
teilung von Gewinnmöglichkeiten durch erwählte, von
Interessenten nicht freie Körperschaften geführt habe,
und wie sich in Südwestafrika bei einer Tendenz,
welche die gesamten Schätze des Schutggebiets für die
zur Zeit dort anwesende Bevölkerung reserviert wissen
will, ähnliche Zustände mit Notwendigkeit entwickeln
müßten. Es ist dabei darauf hingewiesen worden, daß
in keiner vorgeschrittenen Staatswirtschaft die Ver-
fügung über derartige Rechte der Verwaltung entgogen
sei, wie denn in Preußen z. B. die Verpachtung der
Domänen, die Verwertung von Holäaschlagrechten, die
Verleihung von Bergwerken, die Verdingung von Loko-
motiven, Schienen und Kohlen, im Reich der Bau der
Kriegsschiffe, der Kasernen usw., lediglich als Ver-
walmmgssache behandelt würden. Diese Ausstellungen
haben den Staatssekretär nicht gehindert, dem Gemein-
sinn der Südwestafrikaner auf anderem Gebiet alle
Anerkennung zuteil werden zu lassen.
In der Resolution selbst wird der Ausdruck des
Mißtrauens damit begründet, daß Staatssekretär
Dernburg es abgelehnt habe, bezüglich des Vertrages
mit der Kolonialgesellschaft den Landesrat anzuhoren.
Der Landesrat ist errichtet auf Grund der Ver-
ordnung des Reichskanzglers vom 28. Jannar 1909.
Nach dieser Verordnung gehören zur Zuständigkeit des
Landesrats als beratenden Organs der Verwaltung die
jährlichen Vorschläge zum Haushaltsplan des Schutz-
gebiets, die vom Gouverneur zu erlassenden oder vor-
zuschlagenden Verordnungen, soweit sie lediglich lokale
Bedeutung haben, und alle vom Gouvernement sonst
zur Beratung vorgelegten Angelegenheiten. Der
Landesrat kann eigene Anträge dem Govuverneur
unterbreiten. Beschließende Funktionen hat der Lan-
desrat nur insoweit, als ihm bestimmte Materien vom
Reichskanzler überwiesen werden. Die Begutachtung
von Verträgen der Zentralverwaltung gehört demnach
nicht zu den Funktionen des Landesrats, und eine dahin-
gehende Petition von Lüderitzbuchter Diamantinter-
essenten ist vom Reichstag dem Reichskanzler lediglich
als Material überwiesen worden. Einen Anspruch auf
Anhörung in dem vorliegenden Falle besaß der Landes-
rat also nicht.
Materiell lag die Sache so: In dem Diamanten
führenden Gebiet besaß die Deutsche Kolonial-Gesell-
schaft für Südwestafrika infolge der Häuptlingsverträge
und auf Grund der von der Reichsregierung wiederholt
ausgesprochenen Anerkennung dieser Verträge bis zum
Jahre 1908 das ausschließliche Bergrecht. Hierüber
sagt die Raiserliche Bergverordnung vom 15. August 1889:
„In diesen Gebietsteilen steht es der Deutschen Kolo-
nialgesellschaft für Südwestafrika frei, nach ihrem
Ermessen Bergbau selbst zu betreiben oder durch
andere betreiben zu lassen, und die Bedingungen fest-
zusetzen, unter welchen letzteres geschehen soll. Von
dem Bergbau sind weder Gebühren noch Abgaben an
die Bergbehörde zu entrichten.“ Diese Rechte sind über
zwei Jahrgehnte lang weder ihrem Umfang noch ihrem
Inhalt nach von irgend einer Seite angegriffen worden.
Gelegentlich der Tagung der gemischten Kommission
zur Prüfung südwestafrikanischer Gesellschaften wurde
als allgemeiner Wunsch hingestellt, daß das Berg-
werksgebiet der Deutschen Kolonialgesellschaft der
allgemeinen Schürffreiheit unter den gleichen Be-
dingungen eröffnet würde, wie dies hinsichtlich des
öffentlichen Bergwerksgebiets auf Grund der Berg-
verordnung vom 8. August 1905 der Fall ist.
Diesem Wunsche hat die Kolonialverwaltung durch den
Vertrag mit der Deutschen Kolonialgesellschaft vom
17. Februar 2. April 1908, den sogenannten Berg-
rezess, Rechnung getragen. Es kann danach inner-
halb des Gebietes der Deutschen Kolonialgesellschaft
jeder schürfen, Felder belegen und Bergwerkseigentum
erwerben zu den gleichen Bedingungen, wie im berg-
freien Teile des Schutzgebiets. Die sämtlichen mit der
Berghoheit verknüpften Funktionen übernahm der Fiokur,
welcher lediglich die gleichen Schürsfgebühren, Felder-
stenern und Forderungsabgaben wie in seinem Gebiete
eingieht und an die Kolonialgesellschaft abführt. Eine
Gegenleistung zugunsten der Kolonialgesellschaft ist
dabei nicht ausbedungen worden, trotzdem die Gesell-
schaft auf das ihr aus § 48 der Bergverordnung vom
Jahre 1889 zustehende Recht der Verfügung über die
Hälfte des Uberschusses der Einnahmen über die Aus-
gaben der Bergverwaltung verzichtete, ein Verzicht,
welcher angesichts der heutigen Verhältisse nach Mil-
lionen zu bewerten ist. Es blieben ihr — im Vergleich
mit anderen Schürfern — lediglich zwei Ansprüche;
da der Rezeß von dem Gesichtspunkt ausging. daß die
allgemeine Schürffreiheit zu erstreben sei, und in dem
Sinne auch von der Kolonialgesellschaft angenommen
ist, wird diese verlangen können, daß die Schürffreiheit
auch im allgemeinen aufrecht erhalten bleibe. Ferner
hatte sie den Anspruch auf Verleihung von Sonder-
rechten in gewissem Ausmaß, soweit nicht öffentliche