Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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Koloniale Preßstimmen. 
Unter der Überschrift 
„Die Sudwestafrikaner und die Reichsregierung“ 
bringt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ 
vom 12. ds. Monats an ihrer Spitze folgende 
Ausführungen: 
Nach einer überseeischen Korrespondeng hat der 
Landesrat in Windhuk mit einer Resolution geschlossen, 
in welcher er erklärt, außerstande zu sein, der Politik 
des Reichs-Kolonialamts mit zuversicht zu folgen. 
Die Resolntion soll veranlaßt sein neben der in 
ihr selbst enthaltenen Begründung durch wiederholte 
Ausdrücke der Nichtachtung, welche der Staatssekretär 
gegenüber den Südwestafrikanern gebraucht habe. Ge- 
legentlich der Erörterung der Frage, ob und in welchem 
Umfange die Selbstverwaltungsbefugnisse des südwest- 
afrikanischen Schutzgebiets auszudehnen seien, hat der 
Staatssekretär bei der allgemeinen Schilderung des 
wirtschaftlichen und sozialen Aufbaues auf Grund der 
von dem Gounvernement eingereichten Jahresdenkschrift 
die Feststellung zu machen gehabt, daß in dem Schutzgebiet 
eine nach Nationalitäten stark gemischte Bevölkerung 
ihren Wohnsitz habe, daß die Kriminalität der Weißen 
im Vergleich mit der Heimat eine außerordentlich hohe, 
der Alkoholverbrauch der weißen Bevölkerung ein sehr 
bedenklicher sei, und das Anwachsen des Mischelements, 
der sogenannten Bastards, gerade in den letzten Jahren 
eine sehr bedrohliche Ausdehnung gewonnen habe. 
Diese objektiven Feststellungen sind bioher nach keiner 
Richtung entkräftet worden. Sie waren für die Beur- 
teilung der Sachlage nicht entbehrlich. 
Schließlich hat gegenüber einem Antrage, die Er- 
teilung von Konzessionen, Bergwerks= und Land- 
berechtigungen von der Anhörung des Landesrats ab- 
hängig zu machen, Herr Dernburg darauf hingewiesen, 
zu welchen Zuständen in anderen Ländern die Ver- 
teilung von Gewinnmöglichkeiten durch erwählte, von 
Interessenten nicht freie Körperschaften geführt habe, 
und wie sich in Südwestafrika bei einer Tendenz, 
welche die gesamten Schätze des Schutggebiets für die 
zur Zeit dort anwesende Bevölkerung reserviert wissen 
will, ähnliche Zustände mit Notwendigkeit entwickeln 
müßten. Es ist dabei darauf hingewiesen worden, daß 
in keiner vorgeschrittenen Staatswirtschaft die Ver- 
fügung über derartige Rechte der Verwaltung entgogen 
sei, wie denn in Preußen z. B. die Verpachtung der 
Domänen, die Verwertung von Holäaschlagrechten, die 
Verleihung von Bergwerken, die Verdingung von Loko- 
motiven, Schienen und Kohlen, im Reich der Bau der 
Kriegsschiffe, der Kasernen usw., lediglich als Ver- 
walmmgssache behandelt würden. Diese Ausstellungen 
haben den Staatssekretär nicht gehindert, dem Gemein- 
sinn der Südwestafrikaner auf anderem Gebiet alle 
Anerkennung zuteil werden zu lassen. 
In der Resolution selbst wird der Ausdruck des 
Mißtrauens damit begründet, daß Staatssekretär 
Dernburg es abgelehnt habe, bezüglich des Vertrages 
mit der Kolonialgesellschaft den Landesrat anzuhoren. 
Der Landesrat ist errichtet auf Grund der Ver- 
ordnung des Reichskanzglers vom 28. Jannar 1909. 
Nach dieser Verordnung gehören zur Zuständigkeit des 
Landesrats als beratenden Organs der Verwaltung die 
jährlichen Vorschläge zum Haushaltsplan des Schutz- 
gebiets, die vom Gouverneur zu erlassenden oder vor- 
  
zuschlagenden Verordnungen, soweit sie lediglich lokale 
Bedeutung haben, und alle vom Gouvernement sonst 
zur Beratung vorgelegten Angelegenheiten. Der 
Landesrat kann eigene Anträge dem Govuverneur 
unterbreiten. Beschließende Funktionen hat der Lan- 
desrat nur insoweit, als ihm bestimmte Materien vom 
Reichskanzler überwiesen werden. Die Begutachtung 
von Verträgen der Zentralverwaltung gehört demnach 
nicht zu den Funktionen des Landesrats, und eine dahin- 
gehende Petition von Lüderitzbuchter Diamantinter- 
essenten ist vom Reichstag dem Reichskanzler lediglich 
als Material überwiesen worden. Einen Anspruch auf 
Anhörung in dem vorliegenden Falle besaß der Landes- 
rat also nicht. 
Materiell lag die Sache so: In dem Diamanten 
führenden Gebiet besaß die Deutsche Kolonial-Gesell- 
schaft für Südwestafrika infolge der Häuptlingsverträge 
und auf Grund der von der Reichsregierung wiederholt 
ausgesprochenen Anerkennung dieser Verträge bis zum 
Jahre 1908 das ausschließliche Bergrecht. Hierüber 
sagt die Raiserliche Bergverordnung vom 15. August 1889: 
„In diesen Gebietsteilen steht es der Deutschen Kolo- 
nialgesellschaft für Südwestafrika frei, nach ihrem 
Ermessen Bergbau selbst zu betreiben oder durch 
andere betreiben zu lassen, und die Bedingungen fest- 
zusetzen, unter welchen letzteres geschehen soll. Von 
dem Bergbau sind weder Gebühren noch Abgaben an 
die Bergbehörde zu entrichten.“ Diese Rechte sind über 
zwei Jahrgehnte lang weder ihrem Umfang noch ihrem 
Inhalt nach von irgend einer Seite angegriffen worden. 
Gelegentlich der Tagung der gemischten Kommission 
zur Prüfung südwestafrikanischer Gesellschaften wurde 
als allgemeiner Wunsch hingestellt, daß das Berg- 
werksgebiet der Deutschen Kolonialgesellschaft der 
allgemeinen Schürffreiheit unter den gleichen Be- 
dingungen eröffnet würde, wie dies hinsichtlich des 
öffentlichen Bergwerksgebiets auf Grund der Berg- 
verordnung vom 8. August 1905 der Fall ist. 
Diesem Wunsche hat die Kolonialverwaltung durch den 
Vertrag mit der Deutschen Kolonialgesellschaft vom 
17. Februar 2. April 1908, den sogenannten Berg- 
rezess, Rechnung getragen. Es kann danach inner- 
halb des Gebietes der Deutschen Kolonialgesellschaft 
jeder schürfen, Felder belegen und Bergwerkseigentum 
erwerben zu den gleichen Bedingungen, wie im berg- 
freien Teile des Schutzgebiets. Die sämtlichen mit der 
Berghoheit verknüpften Funktionen übernahm der Fiokur, 
welcher lediglich die gleichen Schürsfgebühren, Felder- 
stenern und Forderungsabgaben wie in seinem Gebiete 
eingieht und an die Kolonialgesellschaft abführt. Eine 
Gegenleistung zugunsten der Kolonialgesellschaft ist 
dabei nicht ausbedungen worden, trotzdem die Gesell- 
schaft auf das ihr aus § 48 der Bergverordnung vom 
Jahre 1889 zustehende Recht der Verfügung über die 
Hälfte des Uberschusses der Einnahmen über die Aus- 
gaben der Bergverwaltung verzichtete, ein Verzicht, 
welcher angesichts der heutigen Verhältisse nach Mil- 
lionen zu bewerten ist. Es blieben ihr — im Vergleich 
mit anderen Schürfern — lediglich zwei Ansprüche; 
da der Rezeß von dem Gesichtspunkt ausging. daß die 
allgemeine Schürffreiheit zu erstreben sei, und in dem 
Sinne auch von der Kolonialgesellschaft angenommen 
ist, wird diese verlangen können, daß die Schürffreiheit 
auch im allgemeinen aufrecht erhalten bleibe. Ferner 
hatte sie den Anspruch auf Verleihung von Sonder- 
rechten in gewissem Ausmaß, soweit nicht öffentliche
	        
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