Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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tragsangelegenheit ist von der Budgetkommission nicht 
gefaßt worden. Im übrigen hat sich die Mehr- 
beit des Reichstages auf den Boden gestellt, daß ein 
Vertrag zu schließen sei, und daß die hierfür von der 
Budgetkommission einstimmig niedergelegten Wünsche 
auch im wesentlichen bei dem neuen Vertragsentwurf 
erfüllt seien. Dagegen hat niemand im Reichstage 
auch nur die moralische Verantwortung für die Führung 
eines Prozesses mit der Kolonialgesellschaft übernehmen 
wollen, wie der Staatssekretär in der Sitzung vom 
4. Mai d. J. ausdrücklich festgestellt hat. Derjenige 
Abgeordnete, welcher den Vertrag am schärfsten be- 
kämpfte, hat sich hinsichtlich der Verantwortung für die 
Führung eines Progesses dahin geäußert, daß das nicht 
seine Sache sei, und daß darüber das Reichskolonialamt 
zu befinden habe. Also auch dieser Abgeordnete hat 
gegenüber dem Gutachten der Reichsjustizverwaltung 
es nicht über sich vermocht, das Reichskolonialamt auf 
den Weg des Prozesses hinzuweisen. 
Es erhebt sich schließlich die Frage, ob dem Schutz- 
gebiete durch die eingangs erwähnte Resolution des 
Landesrats gedient ist. Eine solche Resolution gehört 
zweifellos nicht zu seiner Kompetenz, und sie wäre 
besser privaten Vereinigungen überlassen geblieben; 
auch läßt sie die unentbehrliche Objektivität vermissen. 
Der Landesrat ist ein beratendes Organ der Verwaltung. 
Setzt er sich durch eine solche Resolution in offenen 
Gegensatz zur Verwaltung, so wird er schwerlich ver- 
langen können, daß die Verwaltung ihm mit Vertrauen 
entgegenkommt. 
Kamerun und die deutsche Sprache. 
Eine Berliner Wochenschrift hatte jüngst den 
Brief eines farbigen Oberhändlers aus dem Schutz- 
gebiet Kamerun mitgeteilt, in dem über die 
Bevorzugung der englischen Sprache auf 
Kosten der deutschen in dieser Kolonie Klage 
geführt wurde. Hierzu erhält die „Welt- 
Korrespondenz“ von einer mit den Kameruner 
Verhältnissen genau vertrauten Seite folgende 
Zuschrift: 
„. Selbstverständlich sei es sein Wunsch, daß 
unsere deutsche Muttersprache dermaleinst allgemeine 
Umgangssprache in Kamerun werde und das entsetzliche 
Kanderwelsch des Pigeon-Englisch aus der Kolonie ver- 
schwinde; zur Zeit aber wolle es die bittere Not- 
wendigkeit noch anders."“ 
Mit diesen Worten eines Offiziers der Schutz- 
truppe Kamerun, dem auf Grund einer mißverstan- 
denen oder entstellten Außerung der Vorwurf mangelnden 
Heimatstolzes gemacht worden war, hat der Herr 
Staatssekretär des Reichs-Kolonialamts in 
der Reichstagssitzung vom 17. März d. Is. die tat- 
sächliche Auffassung unserer Kameruner Offiziere und 
Beamten gekennzeichnet und damit die Legende zer- 
streut, als werde an maßgebenden Stellen die deutsche 
Sprache in unserer aussichtsreichen Kolonie am gui- 
neischen Golf zugunsten der englischen stiefmütterlich 
behandelt. Wenn die nachstehenden Ausführungen zur 
Klärung beitragen sollen, möge von vornherein der 
dringende Wunsch betont werden, mit allen verfügbaren 
Mitteln und an allen, auch den nichtamtlichen Stellen, 
der Verbreitung unserer Muttersprache in den 
  
afrikanischen Besitzungen vorzuarbeiten und die 
Wege zu ebnen. Denn sie hat dort noch heute mit 
ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. 
Diese sind in der Hauptsache zurückzuführen auf 
das Sprachengewirr der zahlreichen Kamerun- 
stämme einerseits und anderseits auf das umfang-ä 
reiche Bedürfnis von Truppe und Kaufmann- 
schaft an ausländischem Personal. Es ist dabei 
gleichzeitig daran zu erinnern, daß die Erschließung 
des IJunern Kamernns doch erst neueren Datums ist; 
üÜber anderthalb Dezennien war dies Schutzgebiet das 
Stiefkind unserer afrikanischen Kolonien und seine Ver- 
waltung auf einen schmalen Küstenstreifen beschränkt; 
erst mit dem Jahre 1900 hat hier eine systematische 
Erschliehung des Innern begonnen. 
Da machte sich dann sofort der vollständige 
Mangel eines einigermaßen vorherrschenden 
Landesidioms in der nachteiligsten Weise fühlbar. 
Die Eingeborenensprachen der Küstenstämme wurden 
im Innern von niemandem verstanden. Dort traten 
uns im Süden das Ngumba, Jaunde, Bulu, Bakoko, 
Ntum, Voghebelinga, Mpfong, Maka u. a. m. zunächst 
als ganz neue und unerforschte Idiome entgegen. 
Nördlich des Sanaga war es in den Gebieten Tinto, 
Fontem,. Jabassi, Dschang. Ossidinge, Bamenda, Bamum 
und Joko nicht viel besser. In Adamang folgte das 
Fulbe der Fullahstämme sowie die noch heute nicht 
erforschten Sprachen der zahlreichen Heidenstämme: 
im Tschadseegebiet trafen wir auf das Kotoko, Arabisch 
und die Sprachen der Heidenstämme im Zwischenstrom- 
land. Dazu kam schließlich noch das Haussah, als diese 
Händler um 1904 allmählich aus den Fullahgebieten 
bis zur Küste sich durchgehandelt hatten. 
Der einzgige Dialekt aber, den wir auch im Innern 
fast überall antrafen, war das an der ganzen Westküste 
Afrikas verbreitete Pigeon-Englisch, ein Gemisch 
von schlechtestem Portugiesisch und Englisch, das den 
Vorzug leichten Erlernens hat. 
Die Verbreitung dieses „entsetzlichen Kauder- 
welsches“ im Innern war eine gang natürliche Folge 
des vordringenden Handels, der ja auch in Kamerun 
bekanntlich vor der Verwaltung seinen Zug ins In- 
land unternommen hat. Die Handelssprache an der 
gangen Küste aber war — und ist auch heutzutage 
noch vielfach — damals ausschließlich das Englische 
bew. Pigeon-Englisch. Und das war auch wieder ganz 
erklärlich; denn zwei der bedeutendsten Firmen an der 
Kamernner Küste waren englisch, während die deutschen 
schlechterdings darauf angewiesen waren, ihren Bedarf 
an Händlerpersonal aus englischen, zu einem geringen 
Prozentsatz auch aus franzgösischen Kolonien zu decken. 
Mit diesen Händlern aber zog das Pigcon-Englisch 
ins Jnnere, und was war bei dem dortigen Sprach- 
gewirr natürlicher, als daß auch die eingesessenen Ele- 
mente, die sich dem Händlerberuf widmeten, das Idiom 
ihrer Lehrer annahmen? Wenn man nun außerdem 
noch bedenkt, daß im Südbezirk eine amerikanische 
Mission ihre Stationen bereits in das Innere vor- 
geschoben hatte, die, wenn auch nicht absichtlich fördernd, 
schon durch ihre Anwesenheit eine gewisse Propaganda 
für das englische Idiom abgab, so wird man verstehen, 
mit welchen Schwierigkeiten die 1900 beginnende Er- 
schließung des Innern in sprachlicher Begiehung zu 
kämpfen hatte. 
Was aber hatten die damaligen Offiziere und 
Beamten an Rüstzeug zur Verfügung"? Als die Eng- 
länder Nigerien, die Franzosen ihren Kongo erschlossen, 
da standen ihnen in anderen Kolonien seit Jahren er-
	        
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