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Deckung hatte, vollständig aufgerieben worden.
Ein unbesonnener Schuß von seiten der Ein-
geborenen oder meiner Soldaten hätte der Kolonne
sehr gefährlich werden können. Ich trug keine
Waffen, um den Leuten meine friedlichen Absichten
darzutun. Der größte Teil der Leute war mit
guten Zündhütchengewehren, der Rest mit Stein-
schloßgewehren bewaffnet. An ein Beschlagnehmen
der Zündhütchengewehre konnte ich bei meiner
geringen Macht natürlich nicht denken.
Durch die feindliche Haltung der Njassa-Leute
ließ ich mich aber nicht abhalten, meinen Marsch
in der geplanten Weise fortzusetzen.
Am 1. Juli morgens wurde der Weitermarsch
angetreten. Da in diesem Gebiete gar kein Ver-
kehr herrscht, waren die Wege so verwachsen, daß
ein Weiterfinden ohne Führer unmöglich gewesen
wäre. Auf mein Verlangen nach einem Führer
stellten sich eigentümlicherweise der angebliche
Häuptling und der Mann zur Verfügung, der
mir Tags zuvor beim Betreten des zweiten Ortes
das Gewehr entgegengehalten hatte. Ich wurde
mißtrauisch, ich glaubte, daß man mich nach einem
Hinterhalte verschleppen wollte. Denn die Ort-
schaft Njassa ist sehr groß, es sollen gegen drei-
ßig Dörfer sein.
Auf meinem Marsche kam ich noch durch eine
Anzahl Orte von Niassa und erreichte dann die
Landschaft Ekowong (ebenfalls Essamangun), wo
ich gegen Mittag im Häuptlingsdorfe Lager bezog.
Alle Männer und Jungen trugen Gewehre, die
aber bei meinem Erscheinen nach und nach ver-
steckt wurden. Die Haltung der Leute war nicht
feindlich, aber im höchsten Grade frech. So sagte
z. B. der Häuptling: So ein paar Soldaten wie
ich hätte, wären nichts, soviel hätte im spanischen
Gebiete jeder Kaufmann, und es liege nur an
ihmn, ob ich durch sein Gebiet käme oder nicht.
Geld als Bezahlung für Verpflegung wurde ein-
fach zurückgewiesen. Schwierigkeiten für den
Weitermarsch wurden mir nicht gemacht, und so
erreichte ich, die Ortschaft Ngom passierend, am
3. Juli Nguambang. Dies war mein west-
lichster Punkt.
Von hier wandte ich mich nordöstlich, Essa-
mangun und andere Ntum-Ortschaften durchziehend,
und kam am 6. Juli an den Ntem bei der Ort-
schaft Njabesan.
Nach dem gewonnenen Einblick ist der große
Kampobogen, vor allem aber die Südgrenze sehr
stark bevölkert, jedoch fühlen sich die Bewohner
von Ngoa bis Nguambang zu Spanien gehörig,
was sie auch offen aussprechen; die Station
Kampo kennen sie nur dem Namen nach, denn
alle Eingeborenen gehen zur Erledigung ihrer
Handelsgeschäfte nach Bata. Zu berücksichtigen
ist nämlich, daß der Hauptteil ihrer Stammes-
genossen, und der Oberhäuptling der Essamangun
im spanischen Gebiet ansässig sind.
Die Essamangun sind ebenfalls Ntum -Leute,
liegen aber mit ihren ganzen Bruderstämmen
und den Mwei in Fehde. Denn wo ich hin-
gekommen bin und gefragt habe: auf die Essa-
mangun war man nirgends gut zu sprechen. Bei
allen Erzählungen wurden fast immer die Zeichen
des Kopfabschneidens gemacht. Kein Ntum und
Mwei ist zu bewegen, durch dieses Gebiet zu
gehen, er käme auch gar nicht durch. Die Essa-
mangun sind ein ausgesprochenes Raubgesindel.
Kommt eine Kolonne, mit der sie glauben fertig
zu werden, so wird sie einfach angegriffen und
ausgeraubt; wer nicht hat entfliehen können, wird
umgebracht.
Am 6. Juli überschritt ich den Ntem bei
Njabesan. Mit dem Überschreiten des Ntem ver-
ließ ich zugleich das Ntum-Gebiet, denn Njabesan,
am rechten Ufer liegend, ist eine Mwei-Ortschaft.
Am 7. Juli erreichte ich Nemajong, wo ich
bereits am 1. Juni war, als ich von Bindem
aus durchs Mwei-Gebiet marschierte.
Von Nemajong ging ich südöstlich und kam,
den Nso-Fluß überschreitend, wieder in Ntum-
Gebiet. Nach dreitägigem Marsche erreichte ich
die Straße Kampo — Nemajong (hier ist das
Nemajong am Mwila-Fluß gemeint), bog aber
einen Tagemarsch vor Nemajong in die nach
Süden führende Straße Bindem — Abumasok—
Akonanji ein, da ich den für die Errichtung
der Station in Betracht kommenden Ort Abumasok
in Augenschein nehmen mußte. Bei meiner An-
wesenheit am 25. Juni in dem seit etwa zwei
Jahren verlassenen Orte Belun war es aus
Mangel an Fahrgelegenheit über den gegen
200 m breiten Ntem nicht möglich gewesen, Abu-
masok zu besichtigen. Abumasok kann wegen seiner
tiefen Lage und des nur sehr schwachen Verkehrs
wohl kaum als Stationsplatz in Frage kommen.
Von Abumasok marschierte ich über Misele in
zwei Tagen nach Ambam, wo ich am 18. Juli
wieder eintraf, und womit der Hauptteil der Ntum-
Reise seinen Abschluß gefunden hat.
Das von mir bereiste Ntum-Gebiet ist durchweg
Waldland mit mittleren Bodenerhebungen. Ur-
wald in primärer Form tritt fast nur noch an
nicht gut zugänglichen Stellen, wie Sümpfen,
Flußufern und Höhen hervor. Sonst trifft man
nur Buschland an, in dem schnellwachsende Holz-
arten dominieren.
Dieses Buschland zeugt davon, daß das ganze
Gebiet früher noch viel stärker bevölkert gewesen
ist als heute. Nach den Berichten der Ein-
geborenen hat früher eine Abwanderung nach