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französische Seite zu ziehen. Man ließ es sich
etwas kosten, um diesen Flüchtling, mit dem
ganzen Pomp orientalischer Prachtentfaltung aus-
gestattet, unter dem Schutz einer besonders zu-
verlässigen Truppe dem Oheim direkt unter die
Nase zu rücken, indem man ihn unmittelbar an
der Wadai-Grenze ansiedelte. Und man hatte
richtig kalkuliert bei der Hoffnung auf endgültigen
Bruch: wie rotes Tuch auf den Stier wirkte die
herausfordernde Position des Abtrünnigen auf
die Rach= und Habgier eines Dudmurrah; ohne
überhaupt auf den Gedanken zu kommen, durch
Aussöhnung der drohenden Gefahr zu begegnen,
ließ er sich zu übereilten Rachezügen verleiten,
die ihm blutige Denkzettel eintrugen. Und nun
kehrte sich seine sinnlose Wut gegen die vermeint-
liche Unfähigkeit seiner Heeresführer. Damit hatten
die Franzosen gewonnenes Spiel. In dem Maße
wie ihre Senegalesentruppe sich immer mehr dem
numerisch weit überlegenen Gegner gewachsen
fühlte, verloren Dudmurrahs Scharen das Ver-
trauen zu ihren neuen und unerfahrenen Führern
und seine Verbündeten den Glauben an den
glücklichen Stern des einst so gefürchteten Herrschers.
In jahrelangem Zuwarten hat man fran-
zösischerseits diese günstige Entwicklung der Dinge
verfolgt und gefördert, soweit das in unauffälliger
Weise möglich war. Dank ihres ausgezeichneten
Nachrichtenwesens fanden sie darauf auch den
richtigen Zeitpunkt, Wadai zu isolieren.
Zu Beginn 1908 fiel N'Dele, die Hauptstadt
von Dar Kouti im Südosten, und der bislang
Wadai verbündete Sultan mußte wohl oder übel
seine Verbindungen mit Wadai lösen, um eine
französische Besatzung in seine Mauern aufzu-
nehmen. Nur wenige Monate später besetzten
alsdann die Franzosen auf dem anderen Flügel
Arada und unterbanden damit die Unterstützung
Wadais durch Borku im Norden. Zwei Gegen-
streiche Dudmurrahs aber schlugen fehl; bei Diua
holte er sich zuletzt im Juni 1908 eine empfindliche
Schlappe, die ihm nicht allein 24 Fahnen und
2000 Tote kostete, sondern durch den Verlust des.
einzigen ihm noch verbliebenen befähigteren Ober-
befehlshabers, Mahamid, ganz besonders empfind-
lich wurde.
Noch ein ganzes Jahr aber ließ der ver-
nichtende Schlag der Franzosen auf sich warten.
Nicht ohne Grund. Denn hinter Wadai stand
und steht der weit verzweigte Orden des fremden-
feindlichen Senussismus mit seinem Zentrum in
Tibesti (nördlich Wadai), der den Ungläubigen
samt und sonders Tod und Verderben zugeschworen
hat. Vorübergehend schien es, als habe er eine
entscheidende Offensive über Arada nach dem
Tsadseegebiet beschlossen, um seine Vorposition in
Wadai zu retten. Sobald es sich indes heraus-
stellte, daß seine Unternehmungen auf bloße
Demonstrationen hinausliefen, griff Frankreich zu,
und Abecher, die Hauptstadt Wadais, fiel in den
ersten Junitagen des laufenden Jahres. Dud-
murrah aber rettete sich nach Tibesti.
Eine glänzende Operation ist damit zum Ab-
schluß gelangt; Frankreich hat allen Grund, stolz
zu sein auf seinen Erfolg. Mit welcher Präzision
sein Nachrichten= und Angriffsapparat gearbeitet
hat, erhellt wohl am besten aus der Tatsache,
daß der letzte Schlag fast mühelos von noch nicht
der Hälfte der Kräfte geführt wurde, die hierfür
zu Gebote standen.
So stehen denn heute der französischen Er-
oberungs= und Einigungspolitik in Zentralafrika
in der Hauptsache nur noch zwei unbesiegte
Stämme gegenüber: das bereits genannte
Tibesti-Borku im Nordosten ihres Niger-Militär=
territoriums und im Westen das Sahel-Gebiet.
Die früher so gefürchteten Wüstenräuber der
Tuaregs aber haben viel von dem Nymbus ihrer
ungestümen Überraschungen verloren, seit Frank-
reich seine Verbindungen durch die Wüste mit
festen Posten und fliegenden Abteilungen gesichert
und jene Störenfriede mehrmals mit blutigen
Köpfen heimgesandt hat, dank einer eigens für
die Sonderverhältnisse der Wüste vor Jahren ge-
schaffenen Eingeborenentruppe, „compagnies saha-
riennes“ genannt, die, mit Artillerie und Reiterei
ausgestattet, zunächst hauptsächlich in der nörd-
licheren Sahara Verwendung fanden.
Neben diesen Sahara-Kompagnien des Nordens
tauchten seit längerer Zeit in den südlicheren Ge-
bieten sogenannte „unités méharistes“ (mé-
hariste = Kamelreiter) auf, bald auch „unités
méharistes regulaires“" genannt, die im Mai
vorigen Jahres einen Ausnahmesold bewilligt er-
hielten und sich neuerdings teilweise zu „com-
pagnies méharistes“ ausgewachsen haben.
Eine kürzlich erlassene Instruktion des Komman-
danten des französischen Niger-Militärterritoriums
stellt diesen Abteilungen scharf umgrenzte Spezial-
aufgaben.
Diese Maßnahmen dürften kaum des inneren
Zusammenhanges mit der soeben beendeten Wadai-
Aktion entbehren; wenn wir in jenen Kamelreiter-
Abteilungen die besondere Aufklärungstruppe gegen
die beiden noch nicht unterworfenen Gegner ver-
muten, so bildet die erwähnte Instruktion gewisser-
maßen den Aufstakt zu dem nächsten Operations-
schauspiel in Zentralafrika. Noch ist nicht zu er-
sohen, welchen der beiden zuerst Frankreich seine
besondere Gunst zuzuwenden sich entschlossen hat.
In Gao (Westen) sowohl wie für Zinder im
Osten sind noch besondere Kamelreiter-Abteilungen
für den inneren Polizeidienst vorgesehen worden,
die jene Aufklärungsabteilungen unterstützen und