Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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bereits der Einfluß des Kuiseb-Kanons auf die 
Dünenbildung bemerkbar macht. 
Nach Westen hin kamen wir in ein Gebiet 
ganz regelmäßig geformter, parallel zueinander 
verlaufender Dünen, die stetig an Höhe zu- 
nahmen. Die höchste von mir erstiegene Düne 
hatte eine relative Höhe von nicht ganz 160 m, 
einige andere Dünen waren nicht unbeträchtlich 
höher. Der Abstand von Dünenkamm zu Dünen- 
kamm beträgt durchschnittlich 1000 m. Die Ost- 
seiten der Dünen steigen allmählich an, der Sand 
liegt hier fest, und es macht keine besonderen 
Schwierigkeiten, bis in die Nähe des Dünen- 
kammes zu kommen. Diesem war stets, wie 
schon erwähnt, durch die letzten Ostwinde eine 
neue kleine Düne aufgesetzt, an deren Lurpseite 
sich tiefe Trichter mit sehr steilen Wänden von 
losem Sande befanden. Die Kamele um diese 
Trichter herum auf den neuen Dünenkamm 
heraufzubekommen, bereitete uns große Schwierig- 
keiten. Die Tiere sanken bis weit über die Kuie 
und Sprunggelenke in den losen Sand ein, 
rutschten in ihm dauernd aus und strebten in 
ihrer Dummheit stets dem Trichter zu; wäre ein 
Tier in einen solchen hineingeraten, so wäre es 
sicher nicht wieder herausgekommen und verloren 
gewesen. 
Nach Westen zu fallen die Dünen sehr steil 
ab. Die Dünentäler sind mit Sand gefüllt, der 
meist ziemlich festliegt und dann für die Kamele 
einen guten Marschboden abgibt. Der allen 
Dünen gemeinsame Querschnitt — allmählicher 
Anstieg von Osten, steiler Abfall nach Westen — 
scheint mir darauf hinzudeuten, daß hier trotz 
der Nähe des Meeres der Ostwind vorherrscht. 
Die Dünen sind von einer schwarzen Käferart 
und zahlreichen Wanzen, die eine vorzügliche 
Farbenanpassung zeigen, belebt. Das sind, außer 
einer seewärts streichenden Krähe und einem 
Chamäleon, die einzigen Lebewesen gewesen, die 
wir in sechs Tagen gesehen haben. Die zahl- 
reichen Wildfährten aber und eine große Zahl 
von Gemsbockskeletten, die in den Dünentälern 
liegen, sind ein Beweis dafür, daß in guten 
Regenjahren (das diesjährige war für Awabes 
nicht gut) die Dünentäler Weide haben und dem 
Wilde in diesen heuer so unwirtlichen Regionen 
gesicherte Weideplätze geben. 
In der Nacht vom 19. zum 20. Juni, die 
wir auf einer hohen Düne verbrachten, auf der 
uns die Dunkelheit festgehalten hatte, steigerte 
sich der Ostwind zu schwerem Sturm, der die 
Sandmassen in Bewegung brachte und uns und 
den Tieren stark zusetzte. Man träumte, daß 
sich das Kamel, an dessen Leeseite man sich 
niedergelegt hatte, auf einen gelegt habe und — 
  
fand sich morgens vom Sande völlig zugeweht. 
Leider gingen mir in diesem Sandsturm wichtige 
Ausrüstungsgegenstände verloren. Sie waren 
verweht und nicht mehr auffindbar. Bemerkens- 
wert war es, daß am nächsten Frühmorgen, als 
wir aufsattelten, unsere Decken, besonders die 
während der Nacht vom Winde gepeitschten Ka- 
melhaardecken so mit Elektrizität geladen waren, 
daß sie beim Ausschwingen Tausende von Funken 
ausstrahlten. 
Ich kann nicht umhin, hier den außerordent- 
lichen Eindruck hervorzuheben, den diese groß- 
artige Natur mit ihrem Schweigen und ihrer 
Einsamkeit, mit der ewigen Gleichmäßigkeit ihrer 
unabsehbar langen, parallel laufenden Riesen- 
dünen, mit der starken Wucht ihrer schneidenden 
Sandstürme gemacht hat. Mir fiel die Strophe 
aus Freiligraths Gedicht „Die Wüste“ ein: „Wer 
sie durchritten hat, den graust!“ 
Am Vormittage des 21. Juni befanden wir 
uns nach meiner Routenaufnahme noch etwa 
20 km vom Meere entfernt und auf der Länge 
der gesuchten Wasserstellen. Da wir nach den 
bisherigen Erfahrungen täglich nur 7 bis 8 
Dünen bewältigen konnten, brauchten wir zum 
Meer und zurück noch etwa fünf Tage. Als 
mir mein Sergeant auf die Frage, ob die Ka- 
mele das noch leisten könnten, mit einem ent- 
schiedenen „Nein“ antwortete, befahl ich den 
Rückmarsch, nachdem ich noch die nächste hohe 
Düne erstiegen, von dort nach Westen zu aber 
noch immer neue und noch immer höhere Dünen 
gesehen hatte. 
Die auf der Karte verzeichneten „Wasser- 
stellen, von Nama bewohnt“, liegen ganz sicher 
nicht auf dem angegebenen Fleck, über den ich 
hinwegmarschiert bin. Wenn sie überhaupt vor- 
handen sind, dann liegen sie wohl unweit der 
Küste. 
Am 25. erreichten wir den Tsondab wieder 
in der Nähe seines Endes. 
Ich habe bei diesem Vorstoß in die Küsten- 
wüste den — allerdings durch die Laufänderung 
des Tsondab hervorgerufenen — Fehler gemacht, 
mich zu weit nördlich zu halten. Augenscheinlich 
haben sich im Winkel zwischen Kuiseb und Küste 
die Dünen besonders zusammengedrängt und sie 
sind hier auch besonders hoch und steil. Schon 
auf dem Rückwege konnte ich bemerken, daß die 
Dünen weiter nach Süden zu nicht allein nie- 
driger, sondern auch sanfter geböscht sind. Ich 
bin anscheinend gerade in die schwierigste Ecke 
hineingeraten, denn bei Sandwichhafen sind die 
Dünen wieder weniger schlimm. 
Von Awabes ritt ich über Büllsport zur 
Naukluft. In Johann-Albrechtsauelle,
	        
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