Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

W 140 2e0 
örtert werden sollen und zum Teil auch schon Gegen- 
stand von Verhandlungen und Untersuchungen des 
Reichs-Kolonialamts waren, kommen wenigstens zum 
Teil oder in der Tendenz auf die Einrichtungen hinaus, 
die sich, wic gezeigt worden ist, auch in anderen Kolonien 
bereits bewährt haben oder sie knüpfen an Maßnahmen 
und Organisationen an, die sich in Deutschland selbst 
bei der so erfolgreichen Förderung der einheimischen 
Landwirtschaft erfolgreich gezeigt haben. 
Bevor im nachfolgenden die einzelnen in Betracht 
kommenden Mittel und Wege stigziert werden, sei noch 
die Bemerkung vorauggeschickt, daß die hierbei vielfach 
vorausgesetzte ausreichende Organisation von Genossen- 
schaften sowohl solcher im Sinne des Reichs-Genossen- 
schaftsgesetzes wie auch von Zwangs-Genossenschaften 
im Sinne des Wassergenossenschaftsgesetzes sicherlich 
nirgends Schwierigkeiten bieten würde. Die Schwierig- 
keit liegt nicht in der Schaffung von genossenschaft- 
lichen Organisationen, eventell Neuschaffung, wenn die 
bisherige Organisation nichts taugt, sondern in der 
Bereitstellung von beträchtlichen ausreichenden Mitteln, 
Zuschüssen oder billiger Kredite für diese Organisation. 
Stehen diese in Aussicht, so wird auch der genossen- 
schaftliche Gedanke rasch populär werden und tüchtige 
Leute werden sich ihm widmen. Ohne diese Mittel aber, 
die ins Land flieszen sollen, werden in diesen Genossen- 
schaften die kreditbedürftigen Genossen nicht auf ihre 
Rechnung kommen. Wie weit die genossenschaftliche Form 
an sich für die Befriedigung der verschiedenartigen land- 
wirtschaftlichen Kreditbedürfnisse geeignet ist, ist eine 
Frage für sich, die von Fall zu Fall zu lösen ist. Hier 
sei nur noch bemerkt, daß die Meinung, Genossenschaften 
im Sinne des Reichs-Genossenschaftsgesetzes könnten 
wegen der kurzfristigen Kündigung der Genossen (halb- 
jährig, spätestens zweijährig) keinen langfristigen Kredit 
3. B. für Meliorationen erhalten, insofern irrig ist, 
als die Genossen einer (Genossenschaft, auch wenn diese 
in Liquidation getreten ist, so lange für deren Ver- 
pflichtungen haften, bis diese vollständig getilgt sind. 
Überdies kann bei weittragenden Verpflichtungen noch 
jeder eingelne Genosse durch besonderen Vertrag einzeln 
haftbar gemacht werden. Eine weitere Vorausschickung, 
die durch manche schiefe Erörterung der hier ein- 
schlägigen Fragen geboten erschien, sei die, daß die 
Fisci der deutschen Schungebiete besondere juristische 
Personen darstellen, und nicht mit dem deutschen Reichs- 
fiskus zusammengeworfen werden dürfen. Von vorn- 
herein sei auch noch bemerkt, daß es sich hier nur um 
den landwirtschaftlichen Kredit der weißen Pflanzer 
und Farmer handelt, so daß also nur die Kolonien 
Deutsch-Südwestafrika, ÖOstafrika und Samoa in Be- 
tracht gezogen werden. In den anderen Kolonien 
kämen höchstens landwirtschaftliche Genossenschaften der 
Eingeborenen in Betracht, wie in den französischen 
Kolonien, sowie auch die weitere Ausbildung der Spar- 
kassen für Eingeborene. In nachfolgendem sollen nun 
die für die Organisation des Preditwesens in den 
deutschen Schungebieten zur Diskussion gestellten 
oder zu stellenden Mittel und Wege im einzgelnen 
ansgeführt werden, um dadurch die Erörterung zu er- 
leichtern. Ich habe nicht die Aufgabe zu diesen Einzel- 
fragen eingebend Stellung zu nehmen, soll das viel- 
mehr der Standigen Kommission überlassen. Meine 
eigene Stellung im allgemeinen ergibt sich ja aus den 
vorhergehenden ausführlichen Darlegungen. 
I. Landwirtschaftlicher Personalkredit. 
1. Für den Personalkredit allein dürfte die 
Schaffung eines eigenen Kreditinstituts nicht in Be- 
tracht tommen, weder für eine Rolonie, noch für samt- 
liche Rolonien zusammen. Sollte ein landwirtschaftliches 
  
Kreditinstitut entweder für sämtliche Schutzgebiete oder 
für ein einzelnes geschaffen werden, so könnte dies 
neben dem Meliorations= und dem Bodenkredit auch 
den Personalkredit pflegen. 
2. Die bestehenden Bankinstitute in den Kolonien 
können bis zu einem gewissen Maße den landwirt- 
schaftlichen Personalkredit noch weiter pflegen. Nament- 
lich kümen dafür die Afrikabank in Südwestafrika und 
die neue Handelsbank für Ostafrika in Betracht Die 
Privatbanken werden aber für diese Art von Kredit 
in der Regel sehr hohe Zinsen verlangen, neben anderen 
Sicherheiten auch hupothekarische Sicherheiten. Durch 
diese letzteren wird aber einerseits die Organisation 
des eigentlichen langfristigen hypothekarischen Kredits 
beeinträchtigt, anderseits das kaufmännische Kapital, 
das die Aufgabe hat, sich rasch umzusetzen, leicht fest- 
gelegt. 
3. Durch Einführung des Erntekredits, der nament- 
lich für die Pflanzungskolonien Ostafrika, eventuell 
auch Samoa,. in Betracht käme, würde eine neue Art 
von Sicherheit geschaffen, die nicht so festlegen würde 
wie hypothekarische Sicherheit auf Grund und Boden. 
Die Schwierigkeiten gegen Einführung des Erntekredits 
sind einerseits rechtlicher Art, die sich aber doch beheben 
ließen, anderseits die Befürchtung, daß dadurch die 
Entwicklung des eigentlichen Bodenkredits gehemmt 
würde. In den französischen Kolonien hat man aber 
anscheinend in dieser Bezgiehung keine schlechten Er- 
fahrungen gemacht. 
4. Für die Pflege des Personalkredits dürfte das 
Genossenschaftswesen bei richtiger, den örtlichen Ver- 
hälmissen Rechnung tragender Ausbildung die geeig- 
neiste Organisation sein, weil die Rontrolle über die 
Kreditwürdigkeit in die Hände derjenigen gelegt wird, 
die dazu am berufensten sind. Die Genossenschaft übt 
schließlich eine erzieherische Wirkung aus, stärkt bei 
aller Unterstützung durch den Staat doch auch das 
Gefühl der Selbstverantwortlichkeit, fördert die Seß- 
haftigkeit der Bevölkerung und die Schaffung eines 
soliden Standes von kolonialen Landwirten. 
5. Die bestehenden Genossenschaften in Südwest- 
afrika haben bisher, abgesehen von der Förderung 
ihrer ersten Organisation durch einen deutschen Sach- 
verständigen, keine staatliche Unterstützung erhalten, 
wohl aber hat die Genossenschaftsbank in Windhukt 
von einer privaten Zentralgenossenschaftskasse in 
Deutschland (Darmstadt) Kredite eingeräumt bekommen, 
die ihrer Haftsunmee entsprechen, ja diese übersteigen. 
Die Genossenschaftsbank in Windhuk petitioniert nun 
um einen staatlichen langfristigen, zu 3 bis 312%% ver- 
zinolichen Zuschuß von elwa 500000 , den sie haupt- 
sächlich zur weiteren Organisation von örtlichen Dar- 
lehnskassen im Schutzgebicte verwenden will. Es 
handelt sich um die Fragc, soll nun der Genossenschafts- 
bank dieser Kredit gewährt werden und zwar direkt 
als staatliches Darlehen, oder soll dieses staatliche 
Darlehen ihr durch eine deuische Zentralgenossen- 
schaftskasse, wie etwa die Darmstädter Genossenschafts- 
bank oder die Preußenkasse, gewährt werden. Diese 
deutsche zentralgenossenschaftskasse hätte gegen eine 
Provision die richtige Verwendung dieses Kredits zu 
kontrollieren und würde sich deshalb wohl auch an 
Ort und Stelle an der weiteren Organisation der 
Darlehnskasse durch einen Sachverständigen zu betei- 
ligen haben. Um der Gewährung durch die Genossen- 
schaft in Südwestafrika noch bessere Sicherheiten als 
Unterlagen zu geben, ist auch vorgeschlagen worden, 
in ähnlicher Weise wie in Pflanzungskolonien der 
Erntekredit eingeführt ist, in dieser Viehzuchtkolonie 
das Vieh als Kreditofand zuzulassen und nach dem 
Vorbilde von Anstralien, Nord= und Südamerika staat-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.