Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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sind Verwaltungsbeamte, die ausschließlich mit der 
Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit betraut sind. 
Andere Verwaltungsaufgaben können ihnen zwar, 
werden ihnen aber in der Regel nicht übertragen. Be- 
rufungsgerichte sind der Full Court für die Dirisional 
Courts und diese wieder für die Diskrier Commissioner 
Courts. Die Strasgerichtsbarkeit der Distriet Com- 
missioncr unterliegt der Aufsicht des hiet Justicc, 
bzw. des- on diesem beauftragzen Richter 
In Abeokuta, Ibadan, Oyo, Jfe bers. Jobu Ode 
ist die Gerichtsbarkeit * Kapitalverbrechen auch ũber 
die Angehörigen der betreffenden Staaten und die 
sonstige Gerichtsbarkeit für alle Fremden durch be- 
sonderen Bertrag zwischen der Krone und den einzelnen 
Eingeborenenstaaten den englischen Gerichten über- 
Für die niedere Gerichtsbarkeit ist außerdem 
in Abeokuta ein Mixed Court errichtet, dessen Präsident 
der Gouverneur und dessen 2 weitere Mitglieder das 
Egba Council ernennt. 
Angewandt wird in Südnigerien das englische 
Recht vom 1. Jannar 1900. Im Strafverfahren (vol. 
he Criminal Procedure Ord. Nr. 5/76 mit späteren 
Abänderungen) besteht n- der Gelalchte insofern 
ein Unterschied, als nur für Colony die Mitwirkung 
einer Jury, in der Regel 12 „mmvesten aber 7 Personen, 
vorgesehen ist, während im Protektorat und nur bei 
Kapitalverbrechen an die Stelle des Geschworenen- 
gerichts die Verhandlung mit Beisitern, die nur be- 
ratende Stimme haben, tritt. Dies können natürlich 
auch Eingeborene sein. Die Vorbedingungen für das 
Amt eines Beisivers sind dieselben wie für das eines 
Geschworenen, doch ist durch die Verwendung von 
Beisitzern erreicht, daß in den Protektoraten in jedem 
Falle der Richter allein die entscheidende Stimme hat. 
Es wird somit vermieden, daß auch hier Eingeborene 
über Europäer urteilen. 
Da auch die Engländer die Erfahrung gemacht 
haben, daß der christliche Eid für den nichtchristlichen 
Neger eine sonderliche moralische Bedentung nicht hat, 
so haben sie, um einen höheren Gewissenszwang für 
die Zeugen zu erhalten, in allen Fällen, in denen der 
Eingeborene den Eid als Beteuerungsformel nicht 
kennt, die jeweils im Stammesrecht übliche Be- 
teuerungsart zugclassen (vgl. The Oath andl Affirmation 
Ornl. Nr. 7/00). Ich sah z. B. in Lagos, wie der 
Krujunge „auf Pfeffer und Salz“ schwor — er führte 
Pfeffer und Salz an die Lippen —, der Voruba-Mann 
auf sein Schwert schwor, das er an Stirn, Hals und 
Brust legte zum Zeichen dafür, daß es ihn töten sollte, 
wenn er die Unwahrheit sagen würde. — Nachahmungs- 
wert erscheint mir diese Regel nicht, mag sie auch den 
Neger eher zur wahrheitsgemäßen Aussage anhalten 
wie ein inhaltlich unverstandener christlicher Eid. Der 
curopäische Einfluß wird den moralischen Wert der 
Verwendung dieser Symbole sehr bald abschwächen. 
und dann haben sie m. E. in der europäischen Ver- 
handlung keine Eristenzberechtigung mehr. Die glück- 
lichste Lösung für die Frage der Beeidigung bleibt 
E. die des französischen Rechts, d. h. die Ver- 
wendung einer Betencrungsformel als Voraussetzung 
für die Bestrafung wegen Meineides, die von religiösen 
Betenerungsworten absieht (ogl. 96 Eingeborenen= 
Recht Französisch-Westafrikas, S. 772) 
Was nun die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch 
die Eingeborenen selbjt anbetrifft, so bedurfte diese für 
die Westprovinz. in der die Stammesgerichte der 
Voruba erhalten bleiben, keiner besonderen gesetzlichen 
Regelung. In den beiden anderen Provinzen wurden 
die oben beschriebenen Native Councils mit der Ge- 
richtsbarkeit betrant (The Native Courts Ord. Nr. 7/00). 
Als ihnen untergeordnete Instanzen wurden aus Ein- 
  
geborenen „Ilinor Courts= je nach Bedarf eingerichtet. 
Zuständig wurden sie wie in der Goldküste für alle 
Sachen, in denen nur Eingeborene beteiligt sind, oder 
in denen sich ein Nichteingeborener schriftlich ihrer Zu- 
ständigkeit unterstellt. Die Eingeborenen erhalten für 
ihre Mitwirkung in den Gerichten Entschädigungen, 
der als Vizepräsident fungierende Häuptling in der 
Regel 10 sh, die, Mitglieder 5 h pro Tag. Die Ein- 
nahmen der ee sich aus den Gebühren und 
Geldstrafen EM–o reichen aus, um diese Un- 
losten zu decken. In den meisten Jalive Couris besorgt 
ein „Clerk= die Schreibarbeit. Es ist nicht immer 
ganz leicht gewesen, geeignete Leute für diesen Posten 
zu finden. Häufig suchten sie ihre Stellung zum 
eigenen Vorteil auszubemen. Die sachliche Zuständig- 
keit der Rinor Courts entspricht in Zivilsachen der der 
Native Tribunals in der Goldküste, in Strafsachen 
können sie auf 6 Monate Gefängnis und 15 Prügel- 
hiebe, 3 Monate Gefängnis und 8 25.—.— Geldstrafe 
und Geldstrafe bis zu L 50.—.— erkennen. Die Na- 
tive Coumeils, denen, wie oben ausgeführt, zunächst 
grundsätzlich ein europäischer Beamter präsidiert — 
ein wesentlicher Gegensatz zur Goldküste und Nord- 
nigerien — sind in Zivilsachen zuständig für Aushrche 
mit einem Streitobjekt bis zu L 200 1 Straf- 
sachen können sie als Höchststrafe Gefänguis“ bis zu 
2 Jahren und 15 Prügelhiebe. Gefängnis bis zu 
1 Jahr und L 100.—.— und Geldstrafe bis zu L 100.—.— 
verhängen. he vor einem Native Court anhängige 
Sache kann durch den Chiek Justice oder einen anderen 
Richter in jedem Stadium des Verfahrens vor den 
Supreme Court, den Distriet Commissioner Court oder 
einen anderen Nativre Court gebracht werden. Die 
gleiche Befugnis haben der Provincial und der District 
Commissioner. ie Native Couris können nach Er- 
messen sachverständige Beisitzer zur Auskunftserteilung 
über Stammesrecht mit beratender Stimme äuziehen. 
Nechtsbeistande dürfen grundsätzlich vor den XNative 
Courts nicht auftreten, doch kann das Gericht sie be- 
sonders von Fall zu Fall zulassen. Monatlich sind 
Listen derjenigen Straffällc, in denen auf mehr als 
L 1 rafse oder 2 Monate Gesängnis er- 
kannt ist. an den Chief Justice oder an den von diesem 
bestimmten Richter einzusenden. Diese Listen wirken 
wieder als -Appenl-. Die Beaufsichtigung erfolgt also 
auch hier durch die Richter, nicht durch die höheren 
Verwaltungsbeamten. Von Bedeuntung ist sie eigentlich 
nur für längere Freiheitsstrafen, da die kürzeren schon 
vorher verbüßt sind. 
Die Derufung acgen die Entscheidung der Minor 
Courts geht an das Native Couneil des Bezirks. Be- 
rufungen begen die Entscheidung des Native Councils 
sind beim District Commissioner einzureichen und 
heben“ an den Supreme Court, soweit dies der District 
mmissioner zuläßt oder der Sureme Court es selbst 
anordnet. Der Supreme Court, d. h. der Einzelrichter, 
hat in diesen Berufungssachen als beratende Mit- 
glieder 2 bis 5 Beisiter Uinzuzuziehen, die aus der 
Zahl der Mitglieder der Native Couns ausgzuwählen 
find. Boranssethung für die Frnh gegen die Ent- 
scheidung eines Native Council ist, daß in Strafsachen 
auf eine Strafe von mehr als 3 Monaten Gefängnis 
oder L 25.—.— Geldstrafe erkannt ist, und daß in 
Zivilsachen n sich im einen Anspruch im Werte von 
mehr als L 5 
Dezucglich der Strd deuredung ist bemerlenswert, 
daß gegenüber allen Ubeltätern, die vor einem Divi- 
sional Coum abgeurteilt werden, der Richter auch die 
Deportation des Verurteilten in einen anderen Bezirk 
oder in irgend eine andere englische Besitzung aus- 
sprechen kann. Diese zunächst nur für die Ost= und 
 
	        
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