Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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und mußt sterben wie die anderen. Mit 
wahrem Wutgeheul, fletschenden Zähnen und haß- 
sprühenden Augen sprangen immer wieder welche, 
von denen ich einige als Bell-Leute. erkannte, 
wutschnaubend auf mich los. Man muß einen 
Neger in seiner Wildheit gesehen haben, um diese 
diabolischen Haß= und Wutausbrüche sich ausmalen 
zu können. Schließlich zerrten sie mich zum großen 
Palaverplatz unter dem bekannten gewaltigen „Pa- 
laverbaum“ (in der Mitte von Bonendale). Fast 
ganz Bonendale lief zusammen und umrkkreiste 
mich, aber keiner wollte mir helfen. Die Frauen, 
denen ich auf dem Durchweg oft Schnupftabak 
gab, standen vor den Hütten und weinten voll 
Mitleid, als man mich so daherschleppte. Nirgends 
Rettung, nirgends Hilfe; ich war aufs schlimmste 
gefaßt. 
Da kam plötzlich der in der Nähe wohnende 
Unterhäuptling Epee herangerannt, bahnte sich 
energisch einen Weg zu mir, stieß meine nächste 
Umgebung zur Seite und nahm mich in seinen 
Arm, ein Zeichen, daß ich von nun an unter dem 
Schutze des Häuptlings stehe. Zugleich gab Epee, 
der mir von meinen früheren Reisen nach Sodiko 
sehr gut bekannt, ja befreundet war, kurz und 
bündig zu verstehen, daß niemand mehr den Pater 
schlagen oder ihm auch nur ein Haar krümmen 
dürfe. Für einen Augenblick waren alle ruhig, 
aber nur, um nachher mit um so größerem Ge- 
schrei auf mich loszufahren. Und vielleicht wäre 
auf die Dauer selbst der Häuptling nicht imstande 
gewesen, mich gegen die wilde Menge zu ver- 
teidigen. Da kam aber doch eine andere Hilfe, 
nämlich die Christen von Sodiko. Kaum hatte 
sich in Sodiko die Nachricht verbreitet, ich sei von 
den Bonendale-Leuten gefangen worden und würde 
von diesen mißhandelt, da kamen auch schon 
mehrere handfeste Christen im Sturmschritt heran, 
um mich auf jeden Fall herauszuschlagen. Sie 
warfen sich denn auch gleich auf die mich um- 
tobenden Bonendale-Leute, energisch ihren Pater 
fordernd. Einer war gleich in der Nähe bei mir 
und sagte, ich solle nur keine Angst haben, ganz 
Sodiko käme gleich heran und würde mich mit 
Buschmessern und anderen Waffen bis aufs Blut 
verteidigen. Obwohl mich diese Treue und An- 
hänglichkeit der Sodiko-Christen einerseits mit Trost 
und Freude erfüllte, so konnte sie doch anderseits 
mir lebensgefährlich werden. Denn wären die 
sowieso feindlichen Bonendale-Leute und Sodiko- 
Leute auf solche Art meinetwegen zusammenge- 
stoßen, dann hätte ich sicherlich im Gewühle des 
Gefechts von einem Bonendale-Mann hinterlistig 
den Todesstoß empfangen. Deswegen bat ich die 
Sodiko-Leute, ja befahl ihnen sogar, von einem 
solchen Gewaltstreich Abstand zu nehmen und 
Blutvergießen zu ersparen; sie sollten die nach- 
  
kommenden Christen in meinem Auftrag zurück- 
schicken. Unterdessen gelang es dem Häuptling 
mit Hilfe der Christen, mich in seinem Hause in 
Sicherheit zu bringen. Doch der Streit legte sich 
nicht, so daß ich die Tür aufriß und vor die 
tobende Menge trat. Um jedem Gemetzel, zu dem 
es sicher noch gekommen wäre, vorzubeugen, hatte 
ich mich entschlossen, selbst zu den Engländern zu 
gehen, da es mir doch, menschlich gesprochen, un- 
möglich war, über den Fluß zu kommen. Ich 
teilte diesen meinen Plan mit und drohte den 
Leuten, daß ich vielleicht mit den Engländern 
selbst zurückkehren werde und durch diese meine 
Beraubung und Mißhandlung vergolten würde. 
Da wurden die meisten Hetzer etwas stutzig. Ich 
bat den Häuptling, mich nach Bonaberi zu be- 
gleiten; doch dieser wollie gar nicht zugeben, daß 
ich am Abend noch fortgehe. überdies fragte er 
mich immer nach einem Geschenk und deutete hin 
auf ein wohlverdientes Lösegeld. Ich machte ihn 
darauf aufmerksam, daß ja seine Landsleute mir 
alles geraubt hätten, versprach ihm aber doch eine 
Belohnung von seiten unseres Bischofs. Nebenbei 
bemerkt, wurde ich jetzt auch auf den Häuptling 
argwöhnisch und auf sein auffälliges Bemühen, 
mich während der Nacht in seiner Hütte einzu- 
riegeln. Ich drang deshalb um so mehr auf so- 
fortigen Abmarsch und winkte einigen kräftigen 
Christen, mich zu begleiten. 
Wir suchten schnell aus dem Bereich Bonen- 
dales hinauszukommen, bis ich allmählich allein 
war mit meinen Begleitern: dem Häuptling Epee 
und einigen Christen. Epee wollte mich immer 
am Arme führen, ich gab ihm aber zu verstehen, 
daß ich allein zu gehen verstände. Ob er fürchtete, 
daß ich ihm ausreißen könnte? Da es schon 
dunkel war, beeilten wir uns, um nach Bonaberi 
zu kommen; denn in der Dunkelheit war es 
äußerst lebensgefährlich, unter den obwaltenden 
Umständen auf den da und dort von feindlichen 
Patrouillen besetzten Wegen so dahin zu marschieren. 
Nach 8 Uhr — es war schon stockdunkel — kamen 
wir in Bonaberi an. In unheimlicher Stille lag 
das sonst um diese Zeit so belebte Dorf da. Ich 
hatte keine Zeit zu verlieren und mußte mich 
überdies geheimhalten vor den Bell-Leuten, die 
auch in Bonaberi ihre Judasdienste taten. So 
huschte ich also gleich in die Lehrerwohnung, um 
mich da wenigstens einigermaßen zu reinigen von 
dem Schweiß und dem Staub der Hetzjagd. Ich 
fragte nach meinen Kisten, die die Jungen stehen 
ließen. Leider war der Koffer mit den Meß- 
utensilien bereits gestohlen, und auch in den 
anderen fand ich nur mehr ein Habit und ein 
Nachthemd vor. Da ich nur mehr Hemd und 
Hose am Leibe hatte, zog ich schnell das Habit 
an, um wenigstens nach außen hin als Pater er-
	        
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